„Ainu“ oder auch „Aynu“ ist ein Begriff, welchen Menschen in westlichen Ländern meist nur einer Sache zuordnen können: dem ewigen Lächeln der Ainu-Frauen. Hierbei handelt es sich um ein besonderes Tattoo im Gesicht, welches in der Kultur dieser in Japan als einheimisch geltenden Bevölkerungsgruppe vorkommt. Doch wer sind diese Menschen?
Das Wort an sich „Ainu“ bedeutet so viel wie „Mensch“. Der Ursprung dieser Bevölkerungsgruppe ist nicht ganz klar. Theorien besagen, dass es sich um direkte Nachfahren der Jomon-Menschen handelt, deren Kultur mit der der Yayoi-Menschen verschmolzen ist. Eine alte Legende berichtet auch, dass die Ainu bereits mehrere tausend Jahre in Japan lebten, bevor „die Kinder der Sonne“ (Nachfahren der Amaterasu, sprich die kaiserliche Familie) dieses Land erreichten. Dies würde die These auch unterstützen.
Geschichte
Das erste mal machten die Ainu auf sich aufmerksam, als sie 1264 in das Land der Nivkh einmarschierten, welches zu dieser Zeit von China regiert wurde. Außerdem begann im 13. Jahrhundert der aktive Kontakt mit der stärksten ethnischen Gruppe Japans, den Wajin. Während der Muromachi-Zeit entfachte jedoch ein Krieg zwischen den beiden Parteien und es kam zum Tod des Oberhauptes der Ainu. Dies hatte einige Revolten zur Folge, unter anderem die „Koshamain’s Revolt“ von 1456.
Die Edo-Zeit brachte erneut engen Kontakt und auch einen intensiven Handel mit sich. Allerdings hatte dies auch zur Folge, dass die Ainu begannen, von japanischen Gütern abhängig zu werden. Des weiteren hatten sie mit unzähligen Epidemien zu kämpfen, welche durch die Japaner ihre Gebiete erreichten. Leider war auch diese Epochen erfüllt von Missverständnissen und Konflikten, was erneut zu Revolten führte.
In der Meiji-Zeit kam es zur Annexion der Insel Ezo durch Japan, welche von nun an in Hokkaido umbenannt wurde. Die Ainu, welche zu großen Teilen auf dieser Insel lebten, wurden von nun an gezwungen zu arbeiten. Es wurde ihnen untersagt, ihre eigene Sprache zu sprechen, sie mussten japanische Namen annehmen und die japanische Sprache lernen und die typischen Tattoos und Rituale wurden verboten. Gleichzeitig wurde ihnen das Recht als japanische Staatsbürger und der Status als „ehemalige Ureinwohner“ zugesprochen. Ziel der Aktion war es, die Ainu den japanischen Standards dieser Zeit anzupassen und die kulturellen Unterschiede zu beseitigen. Des weiteren wollte man verhindern, dass die Insel mit ihren ungenutzten Flächen und Rohstoffen dem Rivalen Russland in die Hände fällt. Japanische Bürger ziehen nun auf Aufforderung der Regierung vermehrt nach Hokkaido und bauen dort eine Industrie und Infrastruktur auf.
Erst im Jahre 2008 gab die japanische Regierung zu, nachdem Stimmen aus der Bevölkerung laut wurden, wie sehr die Ainu in dieser Zeit misshandelt wurden sind und erkennt ihren Status als „Einheimische Bevölkerungsgruppe“ wieder an.
Aussehen
„Vollblut-Ainu“ haben meist eine hellere Haut als der durchschnittliche japanische Bürger. Ihre Farbe ähnelt tatsächlich eher dem europäischen Standard. Auch ihre tief liegenden, großen Augen weißen eine typisch europäische Form auf. Des weiteren haben sie dicke Augenbrauen, große Ohren, eine abgeflachte Nase, besonders auffällige Wangenknochen, große Münder mit dicken Lippen und ein verhältnismäßig kleines Kinn.
Ihre Haare sind meist eher schwarz und lockig, manche auch glatt und nur ganz wenige haben braune Haare. Diese sind bei Männern und Frauen gleich frisiert. An den Seiten reichen die Spitzen ungefähr bis auf Schulterhöhe, während sie nach hinten einen Halbkreis bilden.
Männer haben zusätzlich meist einen langen Bart, da ihre Kultur es ihnen ab einem bestimmten Alter verbietet sich zu rasieren. Frauen hingegen erhalten die typischen Tattoos. Diese werden im jungen alter an einer kleinen Stelle über der Oberlippe begonnen und werden im laufe der Zeit erweitert. Als Farbe wird Ruß benutzt. Diese Tattoos verbildlichen den Weg zur erwachsenen Frau und sind eine Voraussetzung um heiraten zu können. Darüber hinaus haben einige auch tätowierte Unterarme.

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Die traditionelle Kleidung der Ainu wird aus der inneren Rinde einer Ulme gesponnen. Sie tragen den Namen „attusi“ oder „attush“. Es existieren viele verschiedene Stile, jedoch ist der Grundaufbau überall gleich. Es handelt sich um eine schlichte Robe mit glatten Ärmeln, welche um den Körper gewickelt und mit einer Schnur an der Taille befestigt wird. Die Ärmel reichen ungefähr bis zu den Unterarmen oder Handgelenken, währen das Gewand selbst bis zu den Kniekehlen reicht. Frauen trugen später japanische Unterwäsche unten drunter.
Im Winter kamen dann Tierfelle, Leggins aus Hirschhaut und in manchen Regionen Schuhe aus Hundehaut oder Lachs hinzu. Beide Geschlechter schmückten sich außerdem mit Ohrringen und Ketten. Zu besonderen Anlässen kamen noch weitere Ornamente und Gegenstände hinzu.

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Kultur
Die Ainu waren Jäger und Sammler, kultivierten aber auch kleine Felder. Dementsprechend beinhaltete die traditionelle Küche Fleisch von Tieren wie Bären, Füchsen, Wölfen, Dachsen, Ochsen und Pferden, aber auch Fisch und Geflügel, so wie Hirse, Kräuter, Gemüse und Wurzeln. Auffällig ist hierbei, dass Fleisch und Fisch niemals roh gegessen wurden ist, sondern immer gekocht und gebraten wurde.
Die Männer benutzten zum Essen Stäbchen, währen Frauen hölzerne Löffel verwendeten.
Die Unterkünfte der Ainu waren kleine, Schilf-gedeckte Hütten mit einer maximalen Größe von 6 m², welche ein Loch in der Mitte des Dachs hatten. Unterhalb dieses Daches befand sich eine Feuerstelle. Des weiteren hatten die Hütten keine Einteilung in Räume und statt Möbel wurden zwei Schichten Matten benutzt. Die erste Schicht bestand hierbei aus Binse, während die zweite aus Sumpf-Schwertlilien gemacht wurde. Diese dienten auch als Betten. Die Hütte selbst hatte im Osten ein Fenster und insgesamt zwei Türen.

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Gerichtet wurde in der Gemeinschaft durch eine ausgewählte Gruppe von Leuten. Diese verhängten für gewöhnlich keine anderen Strafen außer Schläge. Gefangenschaft gab es nicht. Kam es allerdings zum Mord, wurden dem Schuldigen entweder Nase und Ohren abgeschnitten oder die Sehnen der Füße durchtrennt.
Aus religiöser Sicht handelt es sich bei den Ainu um Animisten. Sie glaubten also daran, dass jedes Ding und jedes Geschöpf von einer göttlichen Seele durchdrungen ist. Dies äußerte sich auf unterschiedliche Weise. Beispielsweise bedankten sie sich vor den Essen bei den Göttern für jede gestorbene Seele. Außerdem glaubten sie daran, dass jede dieser Seelen und auch ihre eigenen unsterblich sein und nach dem Tod in das Land der Götter übergingen.
Die wichtigsten Götter waren „Kamuy Fuchi“, die Gottheit der Feuerstelle, „Kim-un Kamuy“, die Gottheit der Bären und Berge und „Repun Kamuy“, die Gottheit der See, des Fischens und der Meereslebewesen.
Zusätzlich praktizierten die Ainu auch „Arctolatry“ oder auch „Bären-Kult“. Hierbei handelt es sich um einen auch in anderen Kulturen vorkommenden Glauben, dass der Bär das wichtigste Tier in der Natur ist. Für sie war dieses Tier der Weg des Gottes „Kim-un Kamuy“, um den Menschen Nahrung zu bringen.
Die Sprache der Ainu wird heute nur noch von weniger als 15 nativen Menschen gesprochen. Davon sind alle über 60 Jahre alt, weshalb die Sprache als extrem gefährdet gilt. Des weiteren wird sie als „isolierte Sprache“ bezeichnet, was bedeutet, dass sie keine genetischen Verwandtschaften zu anderen Sprachen aufweist. Auch gibt es kein eigenes Schriftsystem, weshalb die Sprache nur in entweder kyrillischen Buchstaben oder japanischen Kana überliefert wurde. Da diese aber teilweise nicht die exakte Aussprache der Worte wiedergaben, haben sich einige im Laufe der Zeit geändert.
Eine weitere Besonderheit der Sprache ist, dass ein Satz aus durch viele aneinandergereihte Laute oder Anhängsel ausgedrückt werden kann. Es heißt also Ideen können ausgedrückt werden durch Worte, welche aus kleineren Wortschnipseln bestehen, die alle ihre eigene Bedeutung haben. Ein gutes Beispiel hierfür wäre das Wort „tuntussuqatarniksaitengqiggtuq“, was so viel bedeuted wie „Er hatte bisher noch nicht wieder gesagt, dass er vorhätte, Rentiere zu jagen.“

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