Baden in Japan geht über reine Körperhygiene hinaus und ist vielmehr eine ritualisierte Tradition, die Körper und Geist verwöhnt. Was ist das Besondere an der japanischen Badekultur und wie verhalte ich mich in einem japanischen Bad? Ein Überblick über Besonderheiten und Verhaltensregeln der japanischen Badekultur.
Hölzerne Badebecken, heißer Dampf, der in den Himmel steigt, gedämpfte Klänge im Hintergrund und eine wohltuende Aussicht auf schneebedeckte Gipfel und unberührte Natur – Für jeden Japaner ist alleine der Gedanke an ein solches Bad die Definition von Glückseligkeit und Entspannung. Das vom Vulkanismus geprägte Japan ist das Land der heißen Quellen, den Onsen, von denen es hier mehr als 30.000 gibt. Das heiße Wasser, das aus dem Untergrund an die Oberfläche strömt, kann salzig, schweflig, kohlensäurehaltig oder sogar radioaktiv sein. Es ist in jedem Falle mineralhaltig, gesundheitsfördernd und soll gegen alle erdenklichen Krankheiten helfen.

Heißes Wasser aus der Erde wird in Japan seit jeder als etwas Göttliches angesehen und da hier im religiösen Denken kaum etwas wichtiger ist als die Reinheit der Seele, glaubten die Menschen schon vor Zehntausend Jahren an die geistige und körperliche Heilkraft des Badens. Schon die Samurai tauchten zur Erholung ins heiße Bad ein und sogar die Makaken, die sogenannten Japanaffen, suchen im Winter heiße Quellen auf, um sich zu wärmen.

Einem alten japanischen Sprichwort zufolge verwöhnt ein Bad Geist und Köper und so pilgern die Japaner in Heerscharen zu den unzähligen Onsen und Badehäusern, um auszuspannen und sich vom seelischen Stress ihres geschäftigen Alltags zu befreien. Das Baden in Japan ist so essentiell, dass man meinen könnte, dass die Onsen die ultimative Ressource sind, aus denen eine stressgeplagte Industrienation ihre Kräfte gewinnt.
Das Bad als Schmelztiegel der japanischen Gesellschaft
Das Bad, sei es in einem Onsen oder in einem Sento, einem öffentlichen Badehaus, wird auch häufig als der Schmelztiegel der japanischen Gesellschaft bezeichnet. Die ritualisierten Umgangsformen, die die hierarchisch strukturierte Gesellschaft Japans prägen, fallen hier weg. Einmal ins heiße und wohlig dampfende Wasser eingetaucht, interessiert es keinen mehr, wer im normalen Leben welcher Profession nachgeht und wer in der sozialen Rangordnung über wem steht. Im japanischen Bad sitzen Tagelöhner neben Firmenbossen und Gaukler neben ordinären Firmenangestellten.
Sie alle teilen das Bedürfnis, nach einem langen Arbeitstag in ein wohltuendes Bad einzutauchen und zu entspannen.
Ryokan – Traditionelle japanische Gasthäuser
In der Regel ist ein Besuch in einem Onsen mit einer Übernachtung in einem traditionellen japanischen Gasthaus, einem Ryokan, verbunden. Diese klassischen und in der Regel familiengeführten Gasthäuser sind das ultimative Erlebnis, wenn man in die japanische Kultur eintauchen möchte. Hier trägt man einen Baumwollkimono, trinkt grünen Tee, schläft zwischen hölzernen Schiebetüren auf Tatami-Matten, bekommt traditionelle japanische Küche serviert und kann jederzeit in die heißen Bäder eintauchen und den Blick über die umliegende Landschaft oder den japanischen Garten des Hauses schweifen lassen.

Nicht nur für stressgeplagte Japaner ist eine Übernachtung im Ryokan oder ein Besuch der heißen Quellen das ultimative Entspannungserlebnis. Für die zahlreichen ausländischen Touristen und Besucher des Landes gehören Ryokan und Onsen zu den unvergesslichsten Erlebnissen einer Japan-Reise, denn nirgendwo sonst kann man die japanische Kultur authentischer erleben, als hier.
Wie verhalte ich mich in einem japanischen Bad?
Ebenso streng wie es die Japaner mit Tischmanieren (siehe Oishii – Esskultur und Tischmanieren in Japan) und anderen Traditionen halten, so genau achtet man auch im heißen Bad auf Etikette und Grundregeln. Zwar sind sich Japaner der Tatasche bewusst, dass ausländische Gäste nicht vollständig mit den japanischen Gepflogenheiten vertraut sein dürften und es wird dementsprechend auch nicht erwartet, dass man sich wie ein Japaner verhält, aber ein Besuch im japanischen Badehaus kann für ausländische Besucher in jedem Fall zu einem Fettnäpchen-Spießroutenlauf werden.

Die Etikette im Bad schreibt nämlich genau vor, wie man sich im Badehaus zu verhalten hat und mit welcher Sorgfalt man sich waschen sollte. Für Ausländer gibt es hier so viele Vorschriften zu beachten, dass man fast gezwungen ist, in ein Fettnäpfchen zu treten und sich zu blamieren. Wir haben für euch ein paar der wichtigsten Regeln und Verhaltenstipps rausgesucht und zusammengefasst, damit auf der nächsten Japan-Reise nichts schiefgehen kann.
Vor dem Bad
Schuhe ausziehen – Das erste mögliche Fettnäpfchen wartet schon im Eingangsbereich eines Onsen oder eines öffentlichen Badehauses – und zwar in Form einer hölzernen Stufe, ab der Straßenschuhe ein absolutes „No-Go“ sind. Hier sollte man sich also seiner Schuhe entledigen und diese nach Möglichkeit in einem extra dafür vorhergesehenen Schränkchen verstauen.
Yukata – Vor dem Bad oder in einem traditionellen Ryokan bekommt man in der Regel einen Yukata – einen leichten Baumwollkimono – gereicht, den man dann im ganzen Haus und auch während des Schlafens tragen kann. Hier gilt zu beachten, dass der Yukata rechts über links getragen und mit einem schmalen Gürten – Obi– zusammengebunden wird.
Nach Geschlechtern getrennt – Wer seine Schuhe im Schließfach verstaut hat, der kann direkt in den Vorraum gehen, um sich auszuziehen. Bitte an dieser Stelle nicht vergessen, dass die Bäder nach Geschlechtern getrennt und mit japanischen Schriftzeichen gekennzeichnet sind, damit man peinliche Verwechslungen vermeidet. 男 steht dabei für Männer und 女 für Frauen.
Körperreinigung – Im Bad selbst werden weder Kleidung, noch Badeanzug oder Handtücher getragen. Das Baderitual an sich ist immer das Gleiche, ob im Onsen, im Sento (öffentliches Badehaus) oder im Bad zuhause. Man darf nicht in das heiße Wasser eintauchen, ohne sich gründlich gereinigt zu haben. Dazu duscht man sich auf kleinen hölzernen Hockern sitzend und schrubbt seinen Körper gründlich sauber. Das Ganze geschieht meist gut sichtbar für andere Gäste, damit auch jeder sehen kann, dass man sauber und ohne jegliche Seifenreste ins Wasser steigt.

Während des Bads
Wassertemperatur – Ist der Körper erst einmal gründlich abgeschrubbt, dann darf man in das heiße Wasser einsteigen und seine Seelen baumeln lassen. Für diejenigen, die das erste Mal in ein japanisches Bad abtauchen, ist Vorsicht geboten, denn das Wasser ist in der Regel über 42° Grad heiß. Man taucht nur bis zu den Schultern in das Wasser ein. Das erhitzt den Körper und erfrischt den Geist.
Wohin mit dem weißen Tuch? Zum Baden bekommt man lediglich ein kleines, handtuchgroßes Tuch gereicht. Dieses Tuch ist nicht dazu da, den Körper im Badewasser zu reinigen, sondern es dient lediglich dazu, den Schambereich zu bedecken, wenn man von Becken zu Becken wechselt. Im Badewasser selber sollte man das Tuch im besten Fall auf den Kopf oder auf die Stirn legen.

Allgemeine Verhaltensregeln
Das japanische Bad dient der wohltuenden Entspannung für Körper und Geist und nicht der Unterhaltung und sollte daher nicht mit einem Ausflug ins Schwimmbad verwechselt werden. Laute Gespräche und das Planschen im Wasser sollten also auf jeden Fall vermieden werden.
Infos für tätowierte Besucher
Auch wenn Tätowierungen in Japan eine lange Tradition haben: sie werden seit jeher mit den japanischen Verbrechersyndikaten Yakuza assoziiert und sind demnach nicht gerne gesehen. Bis vor wenigen Jahren hat die Mehrheit der Onsen und Badehäuser tätowierten Kunden daher den Eintritt verweigert. Angesichts gestiegener Besucherzahlen und nicht zuletzt weil ein Besuch der heißen Quellen ganz oben auf der To-Do-Liste vieler Urlauber steht, beginnt ein langsames Umdenken.
In knapp über der Hälfte aller Badehäuser ist der Besuch tätowierter Badegäste mittlerweile unter einigen Bedingungen erlaubt. Um böse Überraschungen zu vermeiden, empfiehlt es sich allerdings, bereits im Vorfeld die Hausregeln der Onsen und Badehäuser zu studieren.
Hat sich der Körper einmal an das heiße Wasser gewöhnt, dann versinkt man geradezu im wohltuend dampfenden Bad. Das heiße Wasser fühlt sich wunderbar weich an und sorgt für eine tiefgehende Entspannung, die noch Stunden danach anhält und einen glückselig ins Bett fallen lässt.
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