„Beim ersten Schluck schmeckt Calpis wie verdünnter Joghurt. […] Der Name Calpis ist eine Kreuzung aus dem Begriff Calcium und dem Sanskrit-Wort Sarpis (Butter). […] Die Polka-Punkte auf der Flasche symbolisieren Sterne: Der Verkauf begann nämlich am 7. Juli 1919, am Tag des Sternenfestivals (tanabata), wenn sich nach chinesischer Überlieferung die ineinander verliebten Sterne Wega und Altair das einzige Mal im Jahr treffen.“
Das gut 270 Seiten starke Buch „ABC 4 Japan“ von Martin Fritz erklärt, beleuchtet und kommentiert verschiedene Wörter, Personen, Eigenarten, Marken und mehr in alphabetischer Reihenfolge über das Land der aufgehenden Sonne. Die Bandbreite ist riesig und reicht von populären Getränken wie Calpis (siehe oben) über die politischen Abenomics bis hin zur Kaiserfamilie, Begriffen wie „mottainai“ und mehr. Allein die schiere Auswahl bewirkt, dass für jeden Japan-Interessierten und jede Japan-Interessierte etwas dabei ist.
Viele spannende Begriffe alphabetisch sortiert
In relativ kurzen Texten gelingt es Martin Fritz stets, dennoch in die Tiefe zu gehen. Dabei beleuchtet er oftmals auch die Kehrseite der Medaille von Themen, die im Ausland romantisiert werden. Selbst für Japan-Kenner hält nahezu jeder ABC-Begriff neue, überraschende Infos bereit, die einen neugierig machen, selbst noch mehr einzutauchen und zu recherchieren. Gerade wegen dieser Bandbreite an Themen ist es natürlich nicht möglich, auf jedes Detail einzugehen. Das hemmt den Lesespaß aber keineswegs, denn das Werk soll einen breiten Überblick geben und beansprucht auch an keiner Stelle irgendeine Art von Vollständigkeit.
Ein Blick hinter die Kulissen
ABC 4 Japan liefert interessante, vielfältige Einblicke in Kultur, alltägliches Leben, Religion und letztlich in die japanische Seele, die für Außenstehende aufgrund ihres komplexen, oftmals widersprüchlichen Charakters solch eine Faszination ausübt.
Dabei werden aber nicht nur helle und fröhliche Seiten beleuchtet, sondern auch auf die Kehrseiten der japanischen Gesellschaft eingegangen: „Hikkikomori“, „karoshi“ und „pawahara“ sind nur drei davon. Dabei beschreibt der Begriff „hikkikomori“ eine aus der Gesellschaft zurückgezogene Person, die meist nicht einmal ihr eigenes Zimmer verlässt. „Karoshi“ ist das Wort für „Tod durch Überarbeitung“, das in Japan allzu verbreitet ist, aber kaum (an)erkannt wird und „Untergebene quälen“ in unterschiedlichen Formen beschreibt „pawahara“.

Abwechslungsreich und spannend
Der Autor scheut auch nicht davor, historische Ereignisse aufzugreifen und nach dem heutigen Stand von Historikern zu beleuchten oder gar auf aktuelle populäre Themen einzugehen: So findet man „One Piece“ wie selbstverständlich im gleichen Buch wie Literaturgrößen wie Murakami Haruhi.
Faszinierende Auswahl an Begriffen, die Lust auf mehr macht
Man hat größtenteils gar nicht das Gefühl, schlicht ein informatives Buch über Japan in der Hand zu haben – ganz im Gegenteil: Durch die alphabetische Anordnung weiß man nie so genau, was einen als nächstes erwartet. Ist es eine bedeutende Person, deren Leben blitzlichtartig beleuchtet wird? Ein Teil der japanischen Philosophie oder gar einer der bekanntesten japanischen Ketten außerhalb des Landes wie Muji?
ABC 4 Japan entführt einen in die verstecktesten Winkel Japans und lässt für den Leser und die Leserin ein Kaleidoskop an Begriffen zurück, deren Muster unterschiedlicher und faszinierender kaum sein könnten. Einen solch interessanten Blick hinter die Kulissen des Lands der aufgehenden Sonne zu werfen und sich selber ein Urteil bilden zu können ist ein wahrer Lesegenuss.
Erscheinungsjahr: 2020
Autor: Martin Fritz
Seiten: ~270
Preis: 29 Euro
Sonstiges: Ausklappbare Umschlagseiten
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