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Ein Erfahrungsbereicht

Gesellschaftliche Isolation – Mein Leben als Hikikomori

Masako Terasawa ist 31 Jahre alt und lebt seit einigen Jahren zurückgezogen in ihren eigenen vier Wänden. Eine Arbeit hat sie nicht und den Kontakt zu anderen Menschen meidet sie. Für Sumikai berichtet die junge Frau von ihrem Leben als sogenannter Hikikomori.

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Es ist neun Uhr morgens, als mich ein lautes Klingeln aus dem Tiefschlaf reißt. Erschrocken verharre ich unter der Bettdecke und warte ein paar Minuten ab. Es klingelt noch zweimal, danach ist es still. Mich beschleicht ein ungutes Gefühl. Das muss der Vertreter vom Öffentlich-Rechtlichen sein. Monatelang habe ich keine Rundfunkgebühren bezahlt und jegliche Aufforderungen ignoriert. Es klingelt erneut. Diesmal an meiner Wohnungstür. Ich ziehe mir die Decke über den Kopf und halte mir die Ohren zu. Zweimal ist der Vertreter bereits gekommen und jedes Mal zog ich mir die Decke über den Kopf, wie jetzt in diesem Moment.

Frau Terasawa, sind Sie zu Hause?

Durch die Wohnungstür vernehme ich nun eine tiefe männliche Stimme: „Frau Terasawa, sind Sie zu Hause? Ich bin gekommen, um ihre Rundfunkgebühren für den NHK zu kassieren“. Verzweifelt halte ich den Atem an und hoffe inständig, dass er geht, doch der Vertreter gibt so schnell nicht auf.

Mit Nachdruck klopft er noch mehrmals an die Tür. Nach einigen Augenblicken scheint er aufgegeben zu haben und ich höre, wie jemand sich durch den Hausflur Richtung Treppenhaus entfernt. Zwar bin ich todmüde, aber an Schlafen ist nicht mehr zu denken. Mein Herz pocht und ich raufe mir die Haare.

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Was, wenn er wiederkommt und meine Anwesenheit merkt? Was sollen die Nachbarn denken, wenn sie erfahren, dass ich keine Rundfunkgebühren zahle? Leise schleiche ich zur Wohnungstür und gucke durch das Loch. Der Hausflur ist leer. Ich atme auf und gehe ins Bad.

Hikikomori 1

Heute bin ich noch mal davongekommen, doch der Vertreter wird wiederkommen und mit ihm die Probleme. Unbezahlte Rechnungen, Mahnungen, Aufmerksamkeit und Scham. Ich fasse den Entschluss, mich morgen an die ungeöffneten Briefe des NHK zu setzen.

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Meine Eltern dürfen es nicht mitbekommen

Auf keinen Fall dürfen meine Eltern von der Geschichte Wind bekommen. Zwar kann ich die Gebühren von ihrem Darlehen vermutlich bezahlen, aber die Rundfunkgebühren sind nur ein kleiner Teil der Probleme, die ich Tag für Tag, ja monatelang vor mir herschiebe.

Irgendwann werden sich die Mahnunggebühren verdoppeln und mit ihnen die immer wiederkehrenden Vorwürfe meiner Eltern: „Wie kannst du mit 30 noch immer so handeln wie ein kleines Kind? Andere Menschen in deinem Alter arbeiten, heiraten, bringen Nachwuchs zur Welt und sind selbstständig. Was ist aus dir geworden und wie sollen wir das unseren Freunden erklären? Wann wirst du endlich erwachsen?“

Seit knapp 3 Jahren höre ich die Stimmen meiner Eltern in meinem Kopf. Mit ihnen das Kopfschütteln, die verzweifelten Blicke und die Scham, die sie über meinen Werdegang empfinden. Beide hatten große Hoffnungen in mich gesetzt.

Angesehene Eltern

Mein Vater ist ein angesehener Arzt. Er hatte in unserer Nachbarschaft eine kleine Allgemeinarztpraxis eröffnet und war beliebt. Die Menschen aus der Umgebung, vorzugsweise die Älteren, kommen häufig hierher, um sich behandeln zu lassen. Meine Mutter hatte nach ihrem Studium der Betriebswirtschaft einige Jahre in einer Werbeagentur gearbeitet und ihren Job nach meiner Geburt an den Nagel gehängt. Lange Jahre war sie Vollzeit-Hausfrau, verantwortungsbewusste Mutter ihrer 3 Kinder und eine respektierte Person in der Nachbarschaft.

Zwar leben wir in Tokyo, aber hier in Otsuka, unweit vom Bahnhof Ikebukuro entfernt, geht es fast dörflich zu. Man kennt die Nachbarn, die lokalen Friseure und auch die unzähligen kleinen Restaurants, die hier die Straßen säumen.

Als ich mein Studium der Ingenieurswissenschaften an einer renommierten Universität begann, raunten die Nachbarn, wenn meine Mutter von meiner Aufnahmeprüfung erzählte. „Atama ii ne“, (zu dt. „Sie ist so intelligent“) sagte man über mich. Sicher würde ich eine große Zukunft haben, doch es kam ganz anders und heute schämen sich meine Eltern für mich.

Zum Anfang meines Studiums machte ich ein Auslandssemester an der Universität Hamburg in Deutschland. Inspiriert von der vermeintlichen Freiheit, die meine deutschen Mitstudenten lebten, entschloss ich mich nach meiner Rückkehr dazu, eine Auszeit zu nehmen. Ich nahm einen Aushilfsjob in einer Bar an und genoss mein Leben in vollen Zügen. Die Wiederaufnahme meines Studiums rückte in immer weitere Ferne.

Warum soll ich Standards befolgen?

Ich liess Fristen verstreichen, ignorierte Nachfragen und ertränkte mein schlechtes Gewissen in Sake und Shochu (zu dt. Alkoholische Getränke). Es wäre so einfach gewesen, das Studium zu Ende zu bringen, immerhin war ich eine gute Studentin, doch ich drängte die Gedanken daran so weit wie möglich zurück.

Warum sollte ich den standardisierten Werdegang dieser leistungsorientierten Gesellschaft blind verfolgen? Lieber wollte ich leben, Menschen kennenlernen, feiern und meine Freiheit auskosten. Hier gibt es genug Menschen, die fleißig studieren und später in einem typisch japanischen Großraumbüro schuften, bis sie vor Erschöpfung vom Stuhl fallen.

„Arbeiten, um zu leben und nicht leben, um zu arbeiten“ – das waren die Worte meiner deutschen Freunde, wenn wir über die Unterschiede der japanischen und der deutschen Arbeitskultur sprachen. Dass dieses Lebensmotto in Japan nur schwer zu verwirklichen war, hätte mir klar sein müssen.

Hikikomori 2

„Wenn du mehr Freiheiten willst, warum studierst du dann nicht an einer ausländischen Universität? Ich werde für deine Lebenskosten aufkommen“, schlug mein Vater vor, doch mir fehlte der Ansporn, im Ausland noch mal neu anzufangen.

Lange durchtanzte Nächte, Gruppendates und ausgedehnte Shopping-Trips zog ich vor, doch auch das wurde zu diesem Zeitpunkt schon seltener. Die meisten meiner Freunde waren auf Job- und Partnersuche. Für unbeschwertes Vergnügen blieb kaum Zeit.

Standardfragen bei Dates

Auf den Gruppendates musterten mich viele Männer mit fragwürdigen Blicken über meinen Lifestyle. „Hast du denn keine Ziele vor Augen? Was ist dein Traum und wie willst du ihn erreichen, wenn du keine vernünftige Ausbildung hast?“

Es muss zu diesem Zeitpunkt gewesen sein, dass mein Selbstbewusstsein die ersten Kratzer abbekam. Auch empfand ich mich selbst nicht mehr so anziehend wie früher. Durchzechte Nächte und Alkohol hatten Spuren in meinem Gesicht hinterlassen und ich kämpfte mit meinem Gewicht.

Bald konnte ich kaum in den Spiegel schauen, so sehr störten mich Hautunreinheiten und Speckfalten an Bauch und Hüfte. Fortan scheute ich Gruppendates und Männerbekanntschaften. Ich würde erst dann wieder Männer treffen, wenn ich mein Wunschgewicht erreichte, doch es fiel mir zunehmend schwerer, diese vermeintlichen Probleme am Schopf zu packen.

An meinem 28. Geburtstag kam eine Einladung zum Klassentreffen meiner Highschool. Meine beste Freundin Mari konnte es kaum abwarten, nach so vielen Jahren auf ihre Mitschüler zu treffen, aber ich lehnte es ab, mitzukommen.

Was sollten die alten Freunde von mir denken? „Die hat nichts gerissen im Leben. Sie ist fast 30 und lebt noch immer aus der Tasche ihres reichen Vaters“. Diese Blöße konnte ich mir nicht geben. Mari würde den Grund nicht verstehen, also ignorierte ich ihre Anrufe und Nachrichten. Auch die von meinen anderen Freundinnen.

Was sollte ich ihnen sagen? Log ich ihnen etwas vor, würden sie trotzdem sehen, dass etwas nicht stimmte. Immerhin hatte ich mittlerweile 15 kg zugenommen. Ich fühlte mich unwohl mit meiner Figur und begann, die Menschen um mich herum anders wahrzunehmen.

Ich musterte sie von oben bis unten, analysierte den Wert ihrer Klamotten und Accessoires und bewunderte ihre schmalen Körper. Vermutlich hatten sie einen guten Job, eine funktionierende Ehe und einen Personal-Trainer, um überschüssige Pfunde loszuwerden.

Große Selbstzweifel

Ich hingegen fühlte mich dick, aufgedunsen, hässlich und nutzlos. Meine Selbstzweifel trieben mich immer weiter in die selbst gewählte Isolation. Die Fragen meiner besorgten Eltern ignorierte ich und meinen Freunden schrieb ich sporadisch, dass ich zurzeit viel arbeite und kaum Zeit für sie hätte.

Ich wollte nicht, dass sie mich in diesem Zustand sehen. Eines Tages platzte meinem Vater der Kragen: „Ich habe dich so viele Jahre unterstützt, nun schau, was aus dir geworden ist. Du hast deine Zukunft achtlos weggeworfen und uns enttäuscht.

Ich schäme mich vor meinen Freunden und Patienten, die ständig fragen, wo du jetzt arbeitest und ob du schon einen geeigneten Ehepartner gefunden hast. Deinetwegen verliere ich mein Gesicht.

Du musst endlich erwachsen werden und dein Leben in den Griff bekommen“. Meine Mutter schlug vor, dass ich eine kleine Wohnung in Shimokitazawa beziehen könnte. Dann würde ich auf eigenen Beinen stehen, Abstand vom Elternhaus haben und mein Leben hoffentlich wieder auf die Reihe bekommen.

Weil ich kein Einkommen hatte, boten mir meine Eltern ein Darlehen an, dass ich dankbar annahm. Sie würden mir so lange die Miete und Fixkosten zahlen, bis ich einen Job gefunden hatte. Doch das neue Leben in meinem kleinem Apartment in Shimokita (Abk. für Shimokitazawa) brachte nicht die gewünschte Änderung – ganz im Gegenteil.

Dieses Mädchen ist dick und faul

Keiner weckte mich morgens, keiner erinnerte mich an meine Pflichten und das großzügige Darlehen meiner Eltern ermöglichte es sogar, die Fixkosten meines alltäglichen Lebens abzudecken.

Einen neuen Job fand ich nicht, kaum einer wollte jemand in meinem Alter einstellen. Ging ich auswärts essen, dann spürte ich die Blicke der Menschen. Es war als würden sie denken: „Dieses Mädchen ist dick und faul. Warum sollte sie sonst zu dieser Uhrzeit in einem Restaurant sitzen, wenn alle anderen arbeiten gehen?“

So zog ich mich immer weiter zurück, ich scheute jegliche sozialen Kontakte und verspürte an vielen Tagen nur noch den Drang, in meinem Bett liegenzubleiben und die Decke über meinen Kopf zu ziehen. Bald hörte ich auf, auswärts zu essen. Zu groß die Angst, als Außenseiter, gar als Verlierer wahrgenommen zu werden.

Angst, als Hikikomori, gar als Verlierer wahrgenommen zu werden

Die letzten zwei Jahre habe ich weitgehend damit verbracht, in meinen eigenen vier Wänden zu leben. Tagsüber schlafe ich lang und die Nächte verbringe ich in der Regel damit, Serien zu schauen, im Internet zu surfen oder Manga zu lesen.

Ich weiß, dass ich ein Problem habe und dass ich den Kontakt zur sozialen Realität verloren habe, aber mich plagt die Angst, den Erwartungen und Ansprüchen unserer Gesellschaft nicht mehr nachkommen zu können. Schließe ich die Augen, sehe ich die Gesichter meiner Eltern und Freunde: „Du hast versagt“.

Zwar hat mir das so noch keiner gesagt und ich weiß, dass sich mein Umfeld nur um mich sorgt, aber ich schäme mich, ihnen gegenüberzutreten und über meine Probleme zu sprechen. Auch bin ich zu stolz, um Hilfe anzunehmen. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich mir selbst eingestehen konnte, dass ich wohl zu einem sogenannten „Hikikomori“ geworden bin.

Jeglichen Kontakt zur Außenwelt vermeiden

Man nennt Hikikomoris auch die „Unsichtbaren“, weil sie sich teils jahrelang in ihrem Zimmer einschließen und jeglichen Kontakt zur Außenwelt vermeiden. Wie ich, wissen auch die meisten anderen der Zurückgezogenen, dass man so nicht weiterleben kann. Ich weiß das, weil ich mich seit geraumer Zeit mit anderen „Unsichtbaren“ austausche.

Per Zufall habe ich im Internet ein Forum für Menschen mit einem ähnlichen Schicksal gefunden. Hier fühle ich mich ähnlich sicher als in meinen eigenen vier Wänden. Mit den anderen Betroffenen fällt es mir deutlich leichter, über meine Situation zu sprechen.

Man kann sich austauschen über Gründe, Ansichten und auch über Wege, wie man aus dieser misslichen Situation wieder herauskommt. Das gibt mir Hoffnung, mein Leben vielleicht doch eines Tages wieder in die richtige Bahn zu lenken.

Wie aber soll das funktionieren, wenn ich schon an den banalen Kleinigkeiten des Lebens scheitere? Wenn ich nicht mal meine Rundfunkgebühren zahlen oder Briefe öffnen kann? Mich plagen Ängste, dass ich keinen Platz mehr in dieser Gesellschaft finde. Habe ich überhaupt eine reelle Chance auf beruflichen Erfolg und eine gesicherte Zukunft, wenn ich den Anschluss verpasst habe?

Diese Fragen sind es, die mich Nacht für Nacht quälen und die ich heute zum ersten Mal teile. Zwar fällt es mir schwer, über meine Situation zu reden, aber so kann ich anonym bleiben und mir trotzdem die Sorgen von der Seele schreiben. Wer weiß, ob mir das irgendwann helfen wird und ob ich meinen Weg gehen kann.

Zumindest weiß ich eines: Auf keinen Fall möchte ich einen einsamen Tod sterben, der nur Aufmerksamkeit erregt, weil Nachbarn den Verwesungsgeruch aus meiner Wohnung wahrnehmen und die Polizei rufen. Das alleine ist Motivation genug, um Schritt für Schritt aus meiner selbst gewählten Isolation zu entkommen. Ob ich die Kraft dazu habe, wird sich in Zukunft zeigen.

Hikikomori – Japans Unsichtbare

Das Schicksal von Masako Terasawa (31) gleicht dem vieler junger Menschen in Japan und auf der ganzen Welt, die am Leben und seinen Anforderungen zu zerbrechen drohen und den freiwilligen Rückzug in die Isolation wählen.

In Japan gibt es so viele Betroffene, dass man einen Begriff dafür erschaffen hat: Die Hikikomori (zu dt. „sich wegschließen“ oder „Die Zurückgezogenen“). Nach offizieller Definition gilt als Hikikomori, wer über einen Zeitraum von sechs oder mehr Monaten jegliche Kontakte zur Gesellschaft abbricht und sich isoliert in sein Zimmer zurückzieht.

Fundierte Daten zur Zahl der Betroffenen sind schwer zu beziehen und variieren je nach Quelle und Definition. Regierungsstudien zufolge gab es 2015 noch über 500.000 „Unsichtbare“, wie die – überwiegend männlichen – Betroffenen häufig bezeichnet werden.

Die Dunkelziffer dürfte sehr viel höher sein, denn nur Menschen zwischen 15 und 39 gelten als Hikikomori. Ältere Betroffene wurden demnach nicht für die Regierungsstudien berücksichtigt und andere wurden gar nicht erfasst, weil sie lieber im Verborgenen bleiben. Über 30% der „Unsichtbaren“ verbarrikadieren sich schon seit über 7 Jahren in den eigenen vier Wänden und vermeiden den Kontakt zu anderen Menschen.

Warum junge Menschen sich von der Gesellschaft abkapseln

Die Gründe für die selbst gewählte Isolation sind zahlreich und komplex: Sie reichen von Versagensängsten, Scham und Mobbing bis hin zu Traumata. Leistungsdruck wird ebenso häufig angeführt. Der von langen Arbeitszeiten und Erfolgsdruck geprägte Arbeitsmarkt Japans ist so starr, dass junge Menschen häufig nur einmal im Leben, nämlich nach dem Uniabschluss, die Chance haben, einen Job zu bekommen.

Wer das nicht schafft, der hat häufig den Anschluss verpasst. Ohnehin sind die Zeiten vorbei, in denen die meisten Universitätsabsolventen nach dem Abschluss eine lebenslange Anstellung in einem großen Unternehmen finden und nach steigendem Alter entlohnt werden. Ein Drittel aller Arbeitnehmer in Japan ist heutzutage in atypischen oder irregulären Arbeitsverhältnissen angestellt – meist ohne soziale Absicherung, ohne Kündigungsschutz und mit wenig Hoffnung auf eine berufliche Karriere.

Häufig fehlen jungen Menschen die finanziellen Mittel, um zu heiraten, Nachwuchs zu zeugen und sich gleichzeitig auch noch um die älteren Familienmitglieder zu kümmern.

Hikikomori 4

Gesellschaftlicher Wandel in Japan

Das gesellschaftliche Phänomen der Hikkikomori beschäftigt Regierung und Gesellschaft auch, weil Japan mit den Folgen des demografischen Wandels zu kämpfen hat. Dieser findet seinen Ausdruck in zunehmender Lebenserwartung und abnehmender Geburtenrate. 2017 ist die Zahl der Geburten im Inselreich sogar auf den niedrigsten Stand in der Geschichte des Landes gesunken. Während in den 70ern noch mehr als zwei Millionen Japaner jährlich das Licht der Welt erblickten, waren es 1984 nur noch knapp 1,5 Millionen – 2005 dann nur noch 1,1 Millionen und 2017 kamen nur 941.000 Babys auf die Welt.

Die Zahl der Menschen über 65 Jahre hat unterdessen mit einem Anteil von 27,2 % an der Gesamtbevölkerung ein Rekordhoch erreicht.

Das heißt: Mehr als ein Viertel der Japaner befindet sich im Rentenalter. Diese Überalterung der Gesellschaft bei einem gleichzeitigen Ausbleiben des Nachwuchses könnte verheerende Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und das System der sozialen Sicherung haben.

Versuche der Wiedereingliederung von Hikikomori

Die Regierung sucht entsprechend händeringend nach Lösungen, um die Geburtenrate anzukurbeln und mehr Menschen in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Neben nicht erwerbstätigen Frauen sollen künftig auch Hikikomori verstärkt ins Berufsleben zurückkehren.

Zu diesem Zweck unterstützt sie die Einrichtung von Unterstützungszentren, die den Betroffenen therapeutische und praktische Hilfe anbieten. Es sind vor allem die Nichtregierungsorganisationen, die sich dem Schicksal der „Zurückgezogenen“ widmen. So sorgen sie beispielsweise dafür, dass die Menschen in Jobpraktika wieder an die Gesellschaft gewöhnt werden, bauen Wohnheime, um das soziale Miteinander zu stärken und betreuen Familien, die an der Situation zu zerbrechen drohen.

Ob auch Masako das Angebot der Nichtregierungsorganisationen annehmen wird, bleibt abzuwarten.

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