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Ihai – Totentafeln in Japan

In jedem japanischen Haushalt, der über einen buddhistischen Hausaltar verfügt, finden sich auch kleine Ahnentäfelchen, oder „ihai“ (位牌). Diese grabsteinähnlichen Tafeln tragen den posthumen buddhistischen Namen der Person. Was es mit diesem Brauch, einem Verstorbenen einen neuen Namen zu geben auf sich hat, beleuchten wir an dieser Stelle.

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Hintergrund

Wer der Auffassung ist „Nicht einmal der Tod ist umsonst, denn der kostet das Leben“ unterschätzt die Bedeutung, die das Seelenheil der Toten in den japanischen Vorstellungen hat.

So wird befürchtet, ein nicht ausreichend befriedeter Verstorbener könne als einer der „yūrei“ genannten Totengeister die Hinterbliebenen heimsuchen. Sie wären dann für Missgeschicke und Schicksalsschläge verantwortlich.

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Da man dieses Risiko nicht eingehen will, liegt also nichts näher, als den Verstorbenen sowohl durch eine angemessene Trauerfeier, als auch durch zusätzliche Ehrenbezeugungen milde zu stimmen. Als wichtiger Faktor gilt die respektvolle Anrede des Toten.

Name und Titel

Auf den Ihai befinden sich neben dem posthumen Namen, oder „kaimyō“ (戒名), der ihn zu einem buddhistischen Mönch macht, auch zusätzliche Ehrentitel.

Den Respektsbezeugungen ist praktisch nur durch den eigenen Geldbeutel Grenzen gesetzt – denn die Tempelpriester lassen sich jede Ehrenbezeichnung bezahlen.

Struktur der Ihai

Ahnengedenktäfelchen gibt es in verschiedenen Ausführungen. Während einige auf der Vorderseite lediglich die posthumen Namen angeben, ist bei anderen auch das Sterbedatum vermerkt. Gemeinsam sind ihnen jedoch vier Bezeichnungen.

Nehmen wir als Beispiel den bekannten Sänger Kyū Sakamoto (坂本九), der als fröhlicher, unbeschwerter Mensch galt und mit seinem sentimentalen Song “Ue wo muite Arukō” weltbekannt wurde.

Dessen vollständige posthume Name lautet „Tenshin-in Kyūshin Gensei Kōji“ (天真院九心玄聲居士).

Ihai-Inschrift von Kyū Sakamoto (Grafik: Sumikai)

Ingō (院号): Oben befindet sich der „Tempelname“, der ursprünglich Bezug auf die materiellen Wohltaten gegenüber einem Tempel nahm.

In unserem Beispiel lautet er “Tenshin-in“ (天真院),oder „Unbekümmertheit“.

Dōgō (道号): An zweiter Stelle steht der „Wegname“. Diese Ehrentitel waren ursprünglich Priestern vorbehalten. Heute nehmen sie stattdessen Bezug auf den Lebensweg, wie etwa die berufliche Tätigkeit. In der Sōtō-Tradition wird eine besondere Tugend hervorgehoben.

In diesem Beispiel steht dort „Kyūshin“ – eine Kombination des Namens “Kyū“ (), der “neun” bedeutet, mit dem Zeichen “shin“ (),oder „Herz“. Er steht also für Großherzigkeit.

Kaimyō (戒名): Dieser „Gebotename“ ist der eigentliche posthume Name. „kai“ () steht für die buddhistischen Regeln, die man insbesondere als Mönch einhalten muss. Nach dem Volksglauben soll er verhindern, dass der Verstorbene zurückkehrt, wenn man seinen zu Lebzeiten genutzten Namen ruft. Manchmal wir ein Kanji des Vornamens übernommen.

In unserem Beispiel ist es ”Gensei“ (玄聲), was sich in etwa als „tiefgründige Stimme“ übersetzen lässt.

Igō (位号): Ganz unten befindet sich der „Rangname“, der die religiösen Wohltaten hervorhebt. Dies mag sein tiefer Glaube, oder das soziale Engagement in der Gesellschaft sein. Welche Formulierungen hierbei genutzt werden, hängt von der buddhistischen Tradition ab.

Am Igō lassen sich auch Alter und Geschlecht des Verstorbenen nachvollziehen. Der früher dort angebrachte Vermerk, ob es sich bei dem Toten um den Angehörigen einer sozialen Randgruppe wie den „burakumin“ gehörte, ist wegen der Diskriminierung abgeschafft worden.

In unserem Beispiel zeigt die Inschrift, das es sich um einen „kōji“ (居士), einen männlichen Laienanhänger gehandelt hat.

Zokumei (俗名): Auf der Rückseite einiger Ihai ist der frühere Name des Verstorbenen ebenfalls aufgeführt.

An unserem Beispiel sehen wir also, dass der Verstorbene ein unbekümmerter großherziger Laienanhänger mit einer tiefgründigen Stimme war. Das Beratschlagen über einen solch passenden Namen ist Teil des Geschäfts der Mönche.

Unterschiede nach buddhistischer Tradition

Je nach buddhistischer Tradition findet sich am oberen Ende der Ahnentafel eine Silbe in der altindischen Sprache Sanskrit – ein so genanntes „bonji“ (梵字) – oder ein Kanji-Schriftzeichen.

Anhand dieser Markierung lässt sich die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Richtung des Buddhismus nachweisen.

Während die Zen-Traditionen diesem Brauch selten folgen und im Bedarfsfall lediglich das Zeichen für „Leere“ oder „ku“ () vorangestellt wird, sind diese Symbole für die anderen buddhistischen Schulen von größerer Bedeutung.

So wird der Jōdo-Tradition (浄土宗) das Bonji „kiriku“ als Symbol für den Buddha Amida angesehen und im Nichiren-Buddhismus die Bezeichnung für das Lotossutra „myōhō“ (妙法) vor dem Kaimyo platziert.

Aufstellen der Ahnentafeln

In der Regel werden die Ihai in Privathaushalten unmittelbar am buddhistischen Hausaltar, dem butsudan (仏壇) aufgestellt. Die genaue Positionierung unterscheidet sich bei den verschiedenen buddhistischen Traditionen.

Nach dem 33. Todestag kann ein Kaimyō in das Ahnenregister übernommen werden, da man glaubt, der Verstorbene sei nun Teil eines kollektiven Familienstammbaums geworden. So wird Platz für neue Ihai geschaffen.

Kosten von Ihai und Kaimyō

Die Kosten der Ahnentafel richten sich nach Material und Verzierung. Die wirkliche Einnahmequelle für die Tempelpriester in Japan sind aber die posthumen Namen.

So kostet der buddhistische Laientitel „shinji“ (信士) bei der Sōtōshū (曹洞宗) durchschnittlich 20.000 Yen. Wer den höheren Rang „kōji“ (居士) für seinen verstorbenen Angehörigen wünscht, zahlt dort zwischen 50.000 bis 60.0000 Yen. Mit der Ehrung als „inkōji“ (院居士) werden 200.000 Yen fällig.

Unabhängig von der buddhistischen Tradition lag im Jahr 2001 der Durchschnittspreis für einen vollständigen Kaimyo bei 381.700 Yen. Der teuerste war damals für zwei Millionen Yen zu haben.

Preisdumping

Günstiger als die Angebote der Gemeindetempel sind posthume Namen, die von „manshon bōzu“ (マンション坊主) verliehen werden. Diese „Wohnungspriester“ gehören keinem Tempel an, sondern werden von Bestattern und Grabstein-Steinmetzen gewissermaßen als Subunternehmer beschäftigt.

Die „freiberuflichen Priester“ werden für ihren Mangel an Traditionsbewusstsein und althergebrachten Sitten kritisiert, außerdem tragen sie zum kontinuierlichen Preisverfall bei.

Ihai in Medien und Populärkultur

In dem Manga „Kozure Ōkami“ (子連れ狼) wird der Samurai Ittō Ogami durch eine Intrige seiner Position als Scharfrichter der Regierung enthoben und zum rituellen Selbstmord aufgefordert. Der hinterlistige Yagyu-Klan hatte ein Ihai mit dem Namen des herrschenden Shogun Tokugawa auf den Familienaltar gestellt, so dass der Eindruck entstand, der Samurai bete für den Tod seines Herrn.

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