Die Reality-Show Terrace House auf Netflix ermöglicht einzigartige Einblicke in die japanische Kultur und erfindet gleichzeitig das übermäßig geskriptete Reality-Genre neu.
„Terrace House ist eine Serie über sechs Männer und Frauen, die zusammenleben. Wir beobachten ihren Umgang. Dabei stellen wir lediglich ein schönes Zuhause und ein Auto. Es gibt keinerlei Skript.“ Mit diesen Worten wird jede einzelne Folge der japanischen Netflix-Serie Terrace House eingeleitet. Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Konzept der Serie nicht unbedingt von anderen Reality-Formaten, doch Terrace House kommt ganz ohne plumpe Skandale und polarisierende B-Promis aus – und das ohne jemals langweilig zu werden. Ganz im Gegenteil: das puristische Realityshow-Format birgt hohes Suchtpotenzial und hat so viele Zuschauer begeistert, dass die Show mittlerweile in 190 Ländern ausgestrahlt wird.
Reality auf Japanisch
Das Konzept von Terrace House könnte nicht einfacher sein. Drei Männer und drei Frauen im Alter zwischen 18 und 30 ziehen in ein luxuriöses Haus in Tokyo ein und werden beim Zusammenleben gefilmt. Im Unterschied zu den meisten anderen Reality-Formaten gehen die Bewohner des Hauses allerdings ihrem ganz normalen Alltag nach. Sie gehen zur Arbeit, in die Schule, sie treffen Freunde und Familie, verreisen und machen gemeinsame Ausflüge. Für die meisten steht fest: Man will neue Erfahrungen sammeln, Leute kennenlernen, Abenteuer erleben und vielleicht sogar die große Liebe finden. Glaubt jemand, seine Zeit ist abgelaufen und er möchte den nächsten Schritt im Leben gehen, dann kann er das Haus wieder verlassen. Eine neue Person zieht dann an dessen Stelle ein. Niemand wird von den Zuschauern rausgewäht, es gibt keinen Gewinner und nach der Show winkt den Teilnehmern auch kein Preisgeld.

Die Mischung macht’s: Unterschiedliche Charaktere, liebenswerte Persönlichkeiten und ehrliche Gespräche
Die ständige Rotation der Bewohner bringt eine wunderbare Mischung unterschiedlichster Charaktere hervor. Da haben wir beispielsweise den überambitionierten Steptänzer, ein junges Model, was noch nicht so recht weiß, wie sie ihre Zukunft gestalten möchte und eine mädchenhafte Medizinstudentin. Dazu einen jungen Friseur, einen Baseballspieler und eine sportliche und sympathische Barista, die im Haus nach der großen Liebe sucht und letztendlich doch mit leeren Händen nach Hause gehen muss. Jeder Abschied von den Bewohnern fällt schwer. Man hat die jungen Menschen ins Herz geschlossen, man kennt ihre Absichten, teilt ihre Träume und wünscht sich, dass sie alle ihren Weg finden und so bleiben wie sie sind. Kommt jemand Neues, dann entwickelt sich zumeist eine ganz andere Gruppendynamik. Freundschaften werden neu geschlossen und zwischenmenschliche Beziehungen reifen. Auch gibt es kleine Streitereien und emotionale Gespräche, in denen die Bewohner auf ungewöhnlich ehrliche Art und Weise ihre Gedanken und Motivationen austauschen.
Wer jetzt nach Drama, Sex und handfesten Streitereien sucht, der wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach langweilen. Bei Terrace House gibt es nämlich keine gescripteten Charaktere, keine Prügeleien und keine kameraverliebten Selbstdarsteller. Stattdessen pflegen die Bewohner einen respektvollen und sehr ehrlichen Umgang miteinander.
Moderation aus der Zuschauerperspektive: Intelligente Analysen und Humor
Die einzige Konstante in dieser Show, in der die Charaktere ständig kommen und gehen, ist ein Panel aus bekannten Comedians und Schauspielern. Diese nehmen die Zuschauerperspektive ein und kommentieren und bewerten das Geschehen im Haus. Wer hat sich in welcher Situation wie verhalten, was hätte er oder sie besser machen können und was hat die Bewohner wohl zu ihrem Handeln bewegt? Die Moderatoren bewerten, analysieren und setzen das Geschehen in seinen Kontext. Das machen sie auf eine so amüsante und ehrliche Art und Weise, dass den Zuschauern gar nichts anderes übrig bleibt, als auch die Moderatoren ins Herz zu schließen. Hat man sich erst einmal an das Team gewöhnt, dann kommt man manchmal gar nicht mehr aus dem Lachen raus. So pointiert, witzig, ehrlich und erkenntnisreich sind die Beobachtungen der Gruppe, die auch untereinander einen beispiellos vertrauten und lustigen Umgang pflegt.

Was macht Terrace House so sehenswert?
Seinen besonderen Reiz erhält Terrace House durch die wertvollen Einblicke in die japanische Kultur und Mentalität. Wie regeln die Bewohner ihren gemeinsamen Alltag, wie gehen sie miteinander um, wie bewerten sie soziale Interaktionen, wie nähern sie sich dem anderen Geschlecht und was wünschen sie sich und ihren Mitbewohnern für die Zukunft? Den westlichen Zuschauer mag das zugleich verwundern und faszinieren. Das soziale Miteinander hier ist ein solcher Kontrast zu dem, was wir bei uns kennen.
Kulturelle Besonderheiten und Einblicke in das japanische Liebesleben
So mag es ewig dauern, bis sich die ersten Liebschaften entwickeln. Man ist vorsichtig, tastet sich ran, datet, hält Händchen und erst nach mehreren Episoden dann der langersehnte erste Kuss. Aber es geht nicht nur um Liebe. Es wird zusammen gekocht (alleine wegen der wunderbaren Gerichte, die die Teilnehmer zusammen kochen, ist die Show ein absoluter Tipp), geweint und gelacht. Auch kulturelle Besonderheiten spielen hier eine Rolle. So zieht der sympathische und etwas unbeholfene Arman Bitaraf aus Hawaii gleich verwunderte Blicke auf sich, als er das Haus an seinem ersten Tag mit Straßenschuhen betritt.
Der Halb-Japaner und Halb-Iraner möchte einmal Feuerwehrmann werden und träumt von einem Leben am Meer. Die anderen Teilnehmer sind zunächst irritiert. Man fragt Arman nach seinen Träumen, seinen Ambitionen, was will er denn nun aus seinem Leben machen? Einfach nur leben und glücklich sein? Das will keiner so recht verstehen. Doch nach einer Weile scheinen alle zu begreifen: man muss kein Büro in den vornehmen Roppongi-Hills unterhalten, um einen Traum zu leben. Und am Ende zieht sogar der vermeintliche Mr. Perfect, ein ambitionierter Architekturstudent, seinen Hut vor Arman und bittet ihn, einfach so glücklich zu bleiben, wie er ist. Denn von Arman’s Ehrlichkeit und vor seiner unbeschwerlichen Einstellung zum Leben könnten sich alle eine Scheibe abschneiden.
Zwar mag im Raum stehen bleiben, ob bei Terrace House wirklich nichts geskriptet ist, aber das tut der Wirkung keinen Abbruch. Die Show lebt von den unterschiedlichen Umgangsformen und Träumen seiner Bewohner. Statt auf Skandale, Sex und gescriptete Charaktere setzen die Japaner auf Authentizität. Die Kamera spielt dabei den stillen Beobachter und stellt die unterschiedlichen Charaktere genauso dar, wie sie sind: Authentisch, menschlich, zuvorkommend, bescheidend, höflich und manchmal eben auch etwas unbeholfen.

Terrace House: Ein Erfolgsrezept
Das japanische Format Terrace House (jap. テラスハウス) wird seit 2012 auf Fuji TV ausgestrahlt. 2015 kaufte sich das amerikanische Unternehmen Netflix in die Produktion ein. Die erste Staffel Boys x Girls Next Door wurde so erfolgreich, dass der Streaming-Service die Serie kurzerhand mehrmals verlängerte, so dass aus 18 Folgen 46 wurden. Derzeit läuft schon die dritte Staffel Terrace House: Aloha State auf Netflix. Im Gegensatz zu den vorherigen beiden Staffeln spielt Terrace House: Aloha State auf Hawaii. Auch für diese Staffel wurden ursprünglich 24 geplant, doch Netflix hat die Show bereits auf 36 Episoden hochgesetzt. Fans aus aller Welt hoffen derweil, dass die Show noch weiter verlängert wird, denn Terrace House: Aloha State ist schon jetzt ein Quotenhit und wird nicht nur in Japan mit großer Begeisterung verfolgt. Mehr Infos zu Terrace House findet ihr auf Netflix und auf der offiziellen Homepage von Fuji TV.