Am 8. Mai 2022 öffnete das Samurai Museum Berlin mitten im Zentrum der deutschen Hauptstadt seine Pforten. Mit dem Slogan „Eine Kultur wie keine andere. Ein Museum wie kein anderes.“ möchte die Ausstellung die Geschichte jener Kriegerklasse erlebbar machen, die bis heute die Wahrnehmung Japans in der Welt prägt. Sumikai hat sich angeschaut, wie das funktioniert.
Auf dem Wegentlang der Augustusstraße, erwartet man nicht, auf japanische Geschichte zu treffen. Auf beiden Straßenseiten erstrecken sich Wohnhäuser im Gründerzeitstil, nicht der Ort, wo man ein Museum erwarten würde. Ein kurzer Check auf dem Handy, die Richtung stimmt. Irgendwo hier soll sich das Samurai-Museum verstecken.
Im Samurai Museum trifft moderne Ausstellungstechnik auf historische Artefakte
Zu übersehen ist der Eingang des Museums dann aber doch nicht. Eine große Glasfront und ein riesiges Banner machen sehr deutlich auf die Ausstellung aufmerksam. Im Vorraum findet sich links gegenüber der Kasse ein kleiner Museumsshop. Direkt geradeaus blickt man auf ein massives Holztor, das wohl einst als Zugang zu einer Samurai-Residenz in Japan diente.
Zwölf Euro kostet eine reguläre Eintrittskarte. Nicht gerade ein Schnäppchen, aber – soviel sei bereits verraten – ein angemessener Preis für das, was das Museum zu bieten hat. Mit dem Ticket geht es durch das Holztor und durch eine elektrische Schranke. Bereits die ersten Meter zeigen sehr gut, was das Museum ausmacht: eine gekonnte Kombination von Geschichte und moderner Technik.
Nach dem Durchschreiten der Schranke steht man schon mittendrin in dem, was das Museum eine „multimediale Entdeckungsreise“ nennt. An den Wänden flimmern Filmszenen aus alten Samuraistreifen. Zu sehen ist etwa Toshiro Mifune in Produktionen von Akira Kurosawa. Klassiker der japanischen Filmgeschichte, die stark zum Bild der Samurai im Westen beigetragen haben. Stilelemente dieser Filme werden bis heute von Regisseuren in aller Welt reproduziert und zitiert. Selbst das Videospiel „Ghost of Tsushima“ bot zuletzt einen „Kurosawa-Modus“, der den Stil des Filmemachers imitierte.
Tatsächlich überwältigt der Raum zuerst. Unter den Filmszenen leuchten an der Wand bunte Bilder, links steht eine lebensgroße Samuraifigur samt Pferd, recht geht es ein paar Stufen hinauf zu einem riesigen Bildschirm, auf dem historische Daten und Bilder über einer Karte Japans schweben. So richtig weiß man gar nicht, wo man anfangen soll.

Zusammengenommen bieten die Informationen im Raum einen ersten Überblick über die Geschichte Japans und der Kultur zur Zeit der Samurai. Die beginnt hier im 6. Jahrhundert mit dem Aufkommen der Feudalgesellschaft in der Kofun-Zeit. Das räumt eine mögliche Sorge aus: hier wird nicht versucht, nur die Geschichte ab der Sengoku-Zeit ins Licht zu rücken – die Zeit, als in Japan unzählige Fürstentümer im Krieg miteinander standen und aus der Herrscher und Heerführer wie Oda Nobunaga, Toyotomi Hideyoshi und schließlich Tokugawa Ieyasu hervorgingen.
Allzu oft geht es, wenn von Samurai die Rede ist, nur um die Sengoku-Zeit und die darauffolgende überwiegend friedliche Edo-Periode. Beide Zeitepochen sind in der westlichen Wahrnehmung, aber auch in Japan selbst, stark romantisiert und mystifiziert. Die Beliebtheit ihrer Akteure – der Krieger, der Ninja, der Geisha – verleitet oft dazu, japanische Geschichte und Kultur auf wenige Aspekte zu reduzieren. In diese Falle tappt das Museum glücklicherweise nicht.
Von der privaten Sammlung zum Museum
Den Weg zum Beginn des Rundgangs weist schließlich ein Fuchs. Oder genauer gesagt, ein Kitsune – ein mythisches Fuchswesen. Den gestaltet man an einem Bildschirm im Raum und schaut dann zu, wie sich seine Pfotenspuren über den Boden des Raums bewegen. Dann erscheint er auf einer Wand und leitet die Gäste von dort aus direkt in den nächsten Ausstellungsraum.
Ab diesem Zeitpunkt führt die Ausstellung quer durch alle Themenbereiche rund um das Leben der Samurai. Viele Rüstungen sind ausgestellt, Ausrüstungsgegenstände für die Schlacht und Objekte aus dem Leben abseits der Kämpfe. Ebenso wie Bildrollen, die auch die philosophischen Grundlagen und die religiösen Hintergründe beleuchten, in die der Samurai-Ethos eingebettet ist.

Das Besondere: alle ausgestellten Stücke sind Teil einer privaten Sammlung, der Peter Janssen Collection. Vor rund 40 Jahren begann die mit einem einzelnen japanischen Schwert, das der Unternehmer Peter Janssen auf dem Flohmarkt fand. Angetrieben von seiner Leidenschaft für Kampfkunst und Kultur Japans erwarb er immer mehr Stücke, bis die Sammlung schließlich auf die heutige Größe von mehr als 4000 Objekten anwuchs.
Seit 2017 konnten Teile der Sammlung bereits in Berlin Zehlendorf besichtigt werden, bis schließlich der Plan für das heutige Samurai Museum entstand. Dort finden sich nun, kuratiert vom Team um Martyna Lesniewska, rund 1000 Ausstellungsstücke, aufbereitet für ein breites Publikum. Waffen, Rüstungen, aber eben auch Kunstgegenstände, Keramiken und sogar eine komplette Sänfte.
Der Eindruck, dass hier tatsächlich auf ansprechende Art, Wissen vermittelt werden soll, hält sich während des gesamten Besuches. Dabei ist die Art der Wissensvermittlung so ungewöhnlich wie vielfältig. Informationstafeln, wie man sie aus Museen gewohnt ist, findet man im Samurai Museum nicht. An oder neben den Vitrinen stehen stattdessen Bildschirme, auf denen man die ausgestellten Objekte für mehr Informationen auswählen kann.
Neben Texten, die das Ausstellungsstück beschreiben und historisch einordnen, sind meist auch kurze Videos mit Experten zu sehen, in denen diese über die Samurai-Kultur sprechen. Auch Quizfragen gibt es, sie machen die Ausstellung, insbesondere für jüngere Gäste, interaktiver. An Vitrinen mit vollständigen Rüstungs-Sets bekommt man sogar Videos zu sehen, in denen diese von einem Darsteller zur Schau getragen wird. Das macht die Stücke anschaulich und lebendig.
Der Verzicht auf sperrige Texttafeln sorgt dafür, dass es mehr Platz für die Objekte selbst gibt. Den zur Verfügung stehenden Raum nutzt das Samurai Museum sehr effektiv. Einige große Installationen haben aber ebenfalls ihren Platz in der Ausstellung. Lebensgroße Figuren von Kriegern mit verschiedenen Waffentypen etwa – das Museum räumt auch mit der verbreiteten Vorstellung auf, Samurai wären nur mit dem Schwert unterwegs gewesen.
Ins Auge fällt aber vor allem die überdachte Noh-Bühne. Die befindet sich im hinteren Teil des großen Ausstellungsraums. Gefertigt in Japan aus dort produziertem Holz, ist sie das optische Herzstück des Museums. Mithilfe einer durchsichtigen Projektionsfläche wird sie jede halbe Stunde zum Schauplatz japanischer Kultur. Abwechselnd wird eine Videoprojektion eines Noh-Theaterstücks und einer Taiko-Trommel-Performance gezeigt. Beide wurden extra für diesen Zweck aufgezeichnet.
Im zweiten Stock des Museums findet sich, neben vielen anderen Objekten, schließlich auch eine ganze Abteilung, die den berühmten japanischen Schwertern gewidmet ist. Hier wird auf anschauliche Weise gezeigt, wie Schwerter traditionell geschmiedet werden. Und auch mit dem ein oder anderen Mythos wird hier aufgeräumt.
Sonderausstellung „Die 7 Tugenden“
Besondere Erwähnung verdient zudem die aktuell noch bis Ende Oktober laufende Sonderausstellung am Ende des Rundgangs. Die besteht aus einer Reihe von beeindruckenden Fotografien der polnischen Fotokünstlerin Sylwie Makris. Sie hat sich mit dem in der Edo-Zeit niedergeschriebenen Verhaltens- und Ehrenkodex der Samurai, dem Bushido, beschäftigt und daraus die Fotoserie „Die 7 Tugenden“ geschaffen.

Auf den Bildern werden die sieben Tugenden, wie etwa Ehre, Mut, Loyalität, aber auch Menschlichkeit, von Darstellenden verkörpert, die mit Rüstungen und Objekten aus der Peter Janssen Collection ausgestattet wurden. Jede Tugend taucht in der Ausstellung zwei Mal auf – in einer männlichen und einer weiblichen Variation. Die moderne Fototechnik lässt die historischen Gegenstände besonders surreal wirken, wozu auch die spezielle Bearbeitung der Bilder und der Leinwände beiträgt. Ein wenig wirkt es, als wäre die Fotografien für ihre Fotos tatsächlich durch die Zeit gereist. Die Sonderausstellung darf durchaus als guter Grund gelten, das Museum noch in den kommenden zwei Monaten zu besuchen.
Insgesamt überzeugt das Samurai Museum Berlin mit einer gut konzipierten und abwechslungsreichen Ausstellung, die auch für eingefleischte Japan-Kenner noch neue Informationen und interessante Ausstellungsstücke bereithält. Gleichzeitig vermittelt sie all denen, die Samurai nur aus der Populärkultur kennen, auf ansprechende Weise ein differenzierteres Bild der Kriegerklasse. Das rechtfertigt auch den für ein Museum vergleichsweise hohen Eintrittspreis voll und ganz.
Informationen zum Samurai Museum Berlin:
Adresse: Auguststraße 68, 10117 Berlin
Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag, 11-19 Uhr
Eintrittspreise: Regulär € 12 / Ermäßigt € 8
Webseite: https://samuraimuseum.de/