„Moderner Buddhismus“ dürfte für viele Japaner seltsam klingen. Anders als im Westen verbindet man mit der Religion dort nicht innere Ausgeglichenheit, sondern vielmehr hohe Bestattungsgebühren. Man sieht also deutlich: Der Buddhismus hat ein Imageproblem.
Bereits Bob Dylan erkannte, dass die Zeiten sich ändern, als er sang „your old road is rapidly aging“ und so machten sich Geistliche im ganzen Land auf, neue Wege für den Pfad zur Erleuchtung zu finden.
Anders gesagt: Die Vertreter dieser scheinbar so pazifistischen Religion haben bereits den Kampf aufgenommen – für ihren Ruf und gegen Nachwuchssorgen.
Mönchskneipen und Tempelcafés
Über Sorgen spricht man am liebsten mit seinem besten Freund – und für viele gestresste Angestellte und frustrierte Hausfrauen ist dies nach Feierabend der Suntory Whisky – praktisch der japanische Kollege von Johnny Walker.
Yoshinobu Fujioka (藤岡善信), ein Shinshu-Mönch, erkannte die Zeichen der Zeit, was ihn dazu veranlasste, im September 2000 mit der „Vowz Bar“ im Tokyoter Bezirk Shibuya eine Cocktail-Bar zu eröffnen.
Der Name der Bar spielt mit der lautlichen Ähnlichkeit des englischen „vows“ (Gelübde) mit dem japanischen „bōzu“ (Mönch) und auch wenn der eigentliche Name des Etablissements somit eigentlich „Mönchsbar“ (bōzu bā 坊主バー) lautet, geht es nicht um das Gelübde der Abstinenz.
Seine Gäste müssen bei seelischen Nöten zudem nicht alleine in ihr Bier weinen – neben Cocktails mit Namen wie „Lusthölle“ (愛欲地獄) bietet seine Belegschaft dienstbeflissener Mönche auch ein offenes Ohr für die Sorgen der Menschen.

Dabei gibt es dann auf Wunsch nicht nur das Nachschenken geistiger Getränke, sondern eben auch geistlichen Beistand.
Das Konzept hat sich bereits bewährt und neben Ablegern in Kyoto, Osaka und Nagoya gibt es im Tokyoter Bezirk Suginami nun auch eine Nonnen-Bar (nisō bā 尼僧バー)
Wer trotz seiner Sorgen und Nöte lieber auf die harten Drinks verzichten will und sanfte Stimmen bevorzugt, könnte auch in eines der „Tera Cafés“ (寺カフェ) gehen und dort, neben einer Stärkung seiner körperlichen Kraftreserven, persönlichen Rat im Gespräch einholen.
„Rock me Shakyamuni“
Ein guter Rat muss natürlich auch gehört werden und ein fetziger Song geht leichter ins Ohr, als das betuliche „Wort zum Sonntag“ – was liegt also näher, als die Lehre von der Überwindung des Leidens auditiv an den Mann zu bringen?
Und tatsächlich – bei einigen der musikalischen Angebote kann man wirklich sagen: Buddhismus rockt!
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Priester Fujioka ist nicht nur für die bereits genannte Mönchskneipe verantwortlich, sondern dort wurde 2010 auch die „Vowz Band“ (bōzu bando 坊主バンド) gegründet – bewährte Wortspiele lässt man halt ungerne fallen.
Doch auch wer es weniger krachend mag, findet seine musikalischen Heilsbringer.
Sei es der humorvolle Gitarrenmönch (gitā oshō ギター和尚) Watanabe Norio, die elektronischen Sutra-Remixe des Duos „Tariki Echo“, oder der Gesang der Priesterinnen Yanase Nana (やなせなな) und Miura Akari (三浦明利)- musikalisch ist der japanische Buddhismus ähnlich vielfältig, wie in seinen Lehren.
Kein Musikangebot in Japan wäre natürlich denkbar ohne weibliche Idol-Group – auch wenn die Eltern der shin-buddhistischen „Num-Num Girls“ (ナムナムガールズ) die Auftritte aus Sorge um die Sicherheit ihrer populären Töchter schließlich einschränkten.
Buddhas und Buddhinen
Gemeindetempel werden in der Regel als Familienbetriebe weitergeführt, so dass der Begriff „Nachwuchssorgen“ bei Tempelpriestern durchaus wörtlich zu verstehen ist.
Nachdem Dating-Treffen für heiratswillige Priester erfolgreich waren und es immerhin nicht um bloße Triebe, sondern um wahre Liebe geht, war es naheliegend, das Konzept auszuweiten
So bietet die buddhistische Rinzai-Tradition mit ihren „Kichienkai“ (吉縁会) nun Single-Parties in Tempeln an. Schon mancher soll nach dem gemeinsamen Zusammenfädeln der Gebetskette auch den Bund fürs Leben geschlossen haben.
Womöglich verhilft sogar die buddhistische Shōjin-Küche den einsamen Herzen beim gemeinsamen Essen zu ihrem Glück – denn Liebe geht bekanntlich durch den Magen.
Sollte es dann doch nicht klappen, kann man immer noch auf höheren Beistand hoffen – denn Amulette für Glück in der Liebe und den richtigen Partner sind bei diesen Events praktisch inbegriffen.
Lachender Buddha
Eine gescheiterte Ehevermittlung ist kein Grund für tiefe Trauer – und auch wenn der der „lachende Buddha“, der den Besucher in chinesischen Restaurants begrüßt, vor allem ein Produkt des dortigen Volksglaubens darstellt, ist er vermutlich das bekannteste Bildnis von Humor in Zusammenhang mit Religion.

G.K. Chestertons literarische Figur des christlichen Pater Brown erklärt in der Verfilmung mit Heinz Rühmann „Humor ist eine Erscheinungsform der Religion. Nur wer über den Dingen steht, kann über sie lachen“ und bekanntlich ist Lachen auch noch gesund.
Diese Vorzüge haben offenbar auch buddhistische Kollegen des kriminalistischen Pfarrers erkannt und verbinden ihre beiden Tätigkeitsgebiete miteinander.
So ist Tsuyuno Maruko (露の團姫) nicht nur Shingon-Priesterin und Hauptakteurin in der sehenswerten Dokumentation „Der Weg der Weisheit“ – sondern pflegt die japanische Tradition der lustigen Geschichtenerzählung (rakugo 落語).
Die doppelte Portion buddhistisch gewürzten Humors bietet das moderne Comedy-Duo „Dodon“ (ドドん) Dessen Mitglied Yoshida Ishido kriegt von innovativen Ideen offenbar gar nicht genug – ist der Sōtō-Priester doch auch noch Teil des Vowz-Barteams und der gleichnamigen Band.
Moderner Buddhismus: Der Filmtipp
Die japanische Dokumentation „Buddhist − 今を生きようとする人たち−“ (Webseite auf Japanisch) gibt einen Einblick in das Leben von sechs buddhistischen Mönchen.
Darunter befinden sich ein in Japan lebender Deutscher, ein in Deutschland lebender Japaner, ein Kochbegeisteter und ein Aktivist für die Stilllegung eines Kernkraftwerks.