Wer an Kobe denkt, denkt an saftiges Rindfleisch, zart marmoriert und ebenso unerhört lecker wie teuer. Weltweit ist „Kobe“ zum Synonym geworden für japanisches Wagyu-Rindfleisch. Doch die Großstadt hat einiges mehr zu bieten als nur ihre Rinder. Was genau, zeigen wir euch hier.
Oft wird Kobe nachrangig im Zusammenhang mit Kyoto und Osaka genannt, mit denen es das Keihanshin-Ballungsgebiet bildet. Viele Touristen besuchen Kobe im Rahmen eines Tagesausflugs während des Aufenthalts in einer der beiden Städte. Gerecht wird das der Stadt mit ihren rund 1,5 Millionen Einwohnern nicht.
Kobe – an der Grenze von Natur und Moderne
Nicht nur für erfahrene Japanreisende bietet sich Kobe als überschaubarere – und weniger überlaufene – Alternative zu Osaka, Tokyo oder Yokohama an. Jahrhundertealte Tempel und Schreine, modernstes Stadtleben, wilde Natur, blaues Meer, vielfältige Gastronomie. Das alles findet sich in Kobe auf vergleichsweise kleinem Raum.
1. Dicht an dicht – Kobes Innenstadt
Beim Blick auf die Landkarte zeigt sich Kobe als langgezogene Küstenstadt, eingezwängt zwischen der Bucht von Osaka im Süden und der Rokko-Bergkette im Norden. Beim Ausstieg aus dem Shinkansen an der Station Shin-Kobe liegen zwischen Bergen – die direkt hinter dem Bahnhof beginnen – und Meer kaum mehr als ein Kilometer.
Auf dem Küstenstreifen entwickelte sich insbesondere seit dem Handelsboom der Meiji-Restauration eine moderne Stadt, die heute so dicht bebaut ist wie kaum eine andere in Japan. Tatsächlich war Kobe eine der ersten Großstädte Japans überhaupt. Wer die berüchtigte Enge des japanischen Städtebaus intensiv erleben will, ist in Kobe an der richtigen Adresse.

Schnellstraßen schlängeln sich im Stadtzentrum auf Pfeilern zwischen Hochhäusern hindurch, teils sogar auf zwei Ebenen. Hochbahnschienen durchschneiden dichte Wohnsiedlungen. Unter den Gleisen verlaufen enge Passagen, in denen kleine Essensstände schnelle Mahlzeiten anbieten. Und wer die Augen offenhält, entdeckt sogar Wohnungen und Werkstätten unter den Schienen.
Kobe ist im Stadtzentrum ganz sicher nicht glänzend, oft eher grau und trist, doch gerade dadurch faszinierend. Fußgängertunnel, Straßen, Treppenaufgänge und Überführungen, Ladenpassagen und Bahnhöfe verschmelzen zu einem Labyrinth, in dem man sich stundenlang verlaufen kann und immer wieder Neues entdeckt.

Viele der interessantesten Bezirke Kobes finden sich in der Nähe des Hafens. Historisch entwickelte sich Kobe nach der Öffnung Japans in der Meiji-Restauration vom unbedeutenden Fischerort zur blühenden Handelsstadt, als es zum Hauptanlaufpunkt für ausländische Handelsschiffe bestimmt wurde. Bis in die 1990er Jahre hinein war der Hafen von Kobe einer der wichtigsten Handelshäfen Japans – bis er im Zuge des Hanshin-Erdbebens an Bedeutung verlor.
Die zentrale Rolle in Japans internationalem Handel bescherte Kobe eine für japanische Verhältnisse ungewöhnlich hohe Anzahl ausländischer Einwohner. Noch heute sind rund drei Prozent der Bewohner von Kobe Nicht-Japaner, die Hälfte von ihnen Koreaner.
In der Meiji-Zeit waren unter anderem viele Europäer und Chinesen in Kobe ansässig. Noch heute findet man darum zwei Bezirke, die von ihnen geprägt wurden. „Kyu Kyoryuchi“ ist die frühere Ausländersiedlung, ein schachbrettartig angelegtes Viertel in dem sich Steingebäude im westlichen Stil der damaligen Zeit finden lassen. Am westlichen Ende der Ausländersiedlung liegt zudem die Kobe-Chinatown „Nankin-machi“. Hier finden sich viele chinesische Geschäfte und Restaurants, die Straßen sind mit Laternen und Fähnchen bunt geschmückt.

Das berühmte Kobe-Rindfleisch ist in der Stadt übrigens überall zu finden. Welche Restaurants sich also empfehlen, hängt komplett von eurem Geschmack und der Größe eures Budgets ab. Kleine Fleischereien bieten Spieße und Kroketten mit Wagyu-Fleisch zum Mitnehmen zum Beispiel auch für wenig Geld an.
Teurer wird es in spezialisierten Restaurants, für ein ganzes Wagyu-Steak müsst ihr tief in die Tasche greifen. Auch Yakiniku-Angebote, bei denen man dünne Fleischstreifen selbst am Tisch grillt, gibt es zahlreich. Und sogar ungewöhnliche Kombinationen – in Chinatown werden etwa auch traditionell chinesische Speisen mit dem hochwertigen Wagyu-Fleisch zubereitet.
2. Spuren der Zerstörung – Hafenviertel und Erdbeben-Gedenkpark
Kobes Hafenbezirk bildet ein Ausflugsziel ganz für sich allein. Zu finden ist er leicht: man folgt einfach dem weithin sichtbaren Turm aus rotem Stahl, der wie eine Fackel über die Stadt ragt. Das ist der Kobe Port Tower, von dessen Aussichtsplattform in 90 Metern Höhe sich ein spektakulärer Blick über Meer und Berge bietet. Aktuell wird der Turm renoviert, bevor er in 2024 wieder für Besucher öffnet.
Bei klarem Wetter seht ihr von hier aus problemlos östlich bis nach Osaka. Auch die Akashi-Kaikyo-Brücke, eine gewaltige Hängebrücke, lässt sich im Westen erspähen. Sie verbindet die Hauptinsel Honshu mit der Insel Awaji, von der aus die Onaruto-Brücke nach Shikoku führt. Die Akashi-Kaikyo-Brücke gilt als größte Hängebrücke der Welt.
In der Nachbarschaft des Port Tower fallen einige markante Gebäude ins Auge. Etwa das wie eine riesige Welle aufragende Meriken Park Oriental Hotel, das höchste Gebäude in Kobe. Mit 158 Metern Höhe überragt es sogar den Port Tower um 50 Meter.

Mit seinem weißen Gitterdach, dass sowohl an einen Origami-Kranich, als auch an traditionelle asiatische Dachformen erinnert, fällt zudem das Kobe Meeresmuseum ins Auge. Es eignet sich besonders bei schlechtem Wetter als interessantes Ausflugsziel für spannende Informationen rund um die Beziehung Kobes zur See.
Nicht verpassen solltet ihr zudem den Gedenkpark für das Hanshin-Erdbeben, der östlich des Meeresmuseums liegt. Am 17. Januar 1995 wurde die Stadt von einem gewaltigen Erdbeben erschüttert, das allein in Kobe über 4,500 Todesopfer forderte. Hunderte Brände entstanden im Stadtgebiet, die auf Stelzen gebaute Hanshin-Autobahn brach auf mehreren Kilometern zusammen.
Große Teile Kobes waren nach dem Beben verwüstet, 300,000 Menschen verloren ihre Häuser und Wohnungen. Dass das Beben am frühen Morgen, kurz vor sechs Uhr, auftragt, gilt als „Glück im Unglück“. Bürogebäude und Geschäfte, die reihenweise einstürzten, waren zu dieser Zeit noch unbesetzt, es gab kaum Verkehr auf Straßen und Schienen.

Stark getroffen wurde auch der Hafen. In der Folge wandten sich Handelsunternehmen anderen Häfen in Japan zu und kehrten auch nach der Behebung der Schäden nicht zurück – ein Schlag, von dem sich Kobes Wirtschaft nie wieder erholte. Um der Ereignisse und ihrer Opfer zu gedenken, steht im Stadtzentrum ein Mahnmal mit einer ewigen Flamme, die an das Erdbeben erinnert.
Im Hafenviertel wurden zudem bewusst einige Schäden des Erdbebens nicht beseitigt, sondern in einen Gedenkpark integriert. Dort könnte ihr aus sicherer Entfernung zerborstene Betonplatten, schräg stehende Laternen und verbogene Zäune sehen, die das Erdbeben hinterließ. Die Erfahrungen aus dem Hanshin-Erdbeben prägten nachhaltig das Bewusstsein für Katastrophenschutz und erdbebensicheres Bauen in ganz Japan.
3. Hoch hinaus zum „10-Millionen-Dollar-Blick“ – die Rokko-Berge
Kobe ist oftmals eng und grau – wie gut also, dass die Natur nur wenige Meter entfernt ist. Jederzeit könnt ihr vom Stadtzentrum aus der dicht bewaldete Rokko-Bergkette sehen. Die umfasst mehrere bedeutende Gipfel: den namensgebenden Rokko-san mit über 900 Metern Höhe, den Maya mit rund 700 Metern und den Futatabi mit im Vergleich bescheidenen 460 Metern Höhe.
Die Rokko-Berge sind das Naherholungsgebiet der Einwohner von Kobe und laden zum ausgiebigen Erkunden ein. Egal ob gemütlicher Spaziergang in den Wäldern oder anspruchsvolle Wanderungen auf die Berggipfel, alles ist hier möglich. Für Felsenkletterer gibt es ebenso passende Angebote, wie für Golfer.

Auf den Bergpfaden warten abgelegene Tempel und malerische Seen, bevor ihr den Aufstieg in einer der zahlreichen Raststätten auf den Bergen ausklingen lassen könnt. Wer es lieber ruhiger mag, kann zudem per Seilbahn bis hinauf in die Berge fahren. Sowohl zum Berg Maya, als auch zum Rokko-san selbst gibt es entsprechende Verbindungen.
Habt ihr genügend Zeit, dann packt unbedingt eine Taschenlampe ein und macht euch kurz vor Sonnenuntergang auf in die Berge. Dort sucht ihr dann einen der Aussichtspunkte auf, von denen man in Richtung Südosten über die Stadt blickt. Ab dann heißt es warten.
Denn wenn die Sonne untergegangen ist, verwandelt sich der gesamte Küstenstreifen von Kobe bis Osaka in ein einziges, durchgängiges Lichtermeer. „10-Millionen-Dollar-Aussicht“ nennen die Japaner das beeindruckende Schauspiel, das sich mit dem Anblick des nächtlichen Tokyos ohne Weiteres messen kann.

Wichtig ist dabei, die Berge nicht zu unterschätzen. Japans Wandergebiete sind bei weitem nicht so durchkartiert und mit Wegweisern ausgestattet, wie wir es in Deutschland gewohnt sind. Haltet euch auf den Hauptwegen und habt Licht und Navigation dabei, denn die Gefahr, in den Wäldern die Orientierung zu verlieren, ist durchaus real.
Lauft ihr weit genug nach Norden, landet ihr übrigens wieder beim immer präsenten Kobe-Rind – in Form lebendiger Wagyu-Rinder. In den Regionen nördlich von Kobe gibt es eine Reihe von Höfen, die die edlen Tiere züchten. Bei wenigen Wagyu-Höfen sind Besichtigungen möglich, außerdem gibt es andere Bauernhöfe wie die Rokkosan Farm, bei denen man übernachten kann.
4. Per Seilbahn ins Kräuterparadies – Nunobiki-Wasserfälle und Herb Garden
Eine spezielle Route in die Berge Kobes eignet sich besonders für einen Tagesausflug. Sie beginnt am Bahnhof Shin-Kobe. Denn verlasst ihr diesen durch den Nordausgang, steht ihr buchstäblich direkt im Wald. Über eine kleine Brücke geht es von den verzweigten Bahnhofstunneln auf breite Wanderwege, die euch innerhalb weniger Minuten zu den Nunobiki-Fällen führen.
Die Nunobiki-Fälle sind eine Reihe von Wasserfällen, die seit Jahrhunderten für ihre Schönheit bekannt sind. Schon in der Heian-Zeit, als die Hauptstadt Japans noch im heutigen Kyoto lag, tauchten die Nunobiki-Fälle in Kunst und Literatur auf. Neben den Kegon- und Nachi-Wasserfällen gelten sie als „himmlische Fälle“.
Die Nunobiki-Fälle bestehen aus den vier Wasserfällen Ontaki, Meotodaki, Tsutsumigadaki und Mentaki. Lauft ihr aus Richtung des Bahnhofs, erreicht ihr zuerst den Mentaki-Fall und kommt zuletzt beim Ontaki an, dem größten und schönsten der vier Wasserfälle. Ein kleines Teehaus lädt hier zum Verweilen ein.

Von den Nunobiki-Fällen führt der Weg weiter in die Berge, vorbei am Gohonmatsu, einem weiteren Wasserfall und bis zum Nunobiki-Staudamm. Entlang der Route lassen sich im Wald die Überreste kleiner Bergdörfer entdecken, die verlassen und dem Verfall preisgegeben wurden.
Nach dem Damm habt ihr die Möglichkeit, noch tiefer in die Wälder zu laufen und in den Rokko-Bergen zu wandern. Unsere Empfehlung ist aber ein Schwenk nach Osten in Richtung des Nunobiki-Park und der dortigen Gondelstation.
Die bringt euch – ebenso wie ein angrenzender Wanderweg – ein Stück weiter den Berg hinauf in den Nunobiki Herb Garden, in dem sich alles um Kräuter und wohlriechende Pflanzen dreht. Egal zu welcher Jahreszeit, im Herb Garden gibt es immer etwas zu sehen. Zwölf verschiedene Themengärten lassen die Enge der Stadt schnell vergessen.

Regelmäßig finden im Herb Garden auch besondere Veranstaltungen statt. Besonders unterhaltsam für deutsche Besucher: der Eingangsbereich des Parks ist nach dem Vorbild der weltbekannten Thüringer Wartburg gestaltet. Freut euch beim Ankommen also auf den vertrauten Anblick von Fachwerkhäusern im deutschen Stil. Bei einer Rückfahrt mit der Seilbahn lässt sich der Ballungsraum Kobe-Osaka dann nochmal besonders eindrucksvoll von oben bewundern.
5. Entspannen in Arima Onsen
Wenn es die Einwohner von Kobe nach mehr als nur einem kurzen Ausflug in die Natur dürstet, dann führt ihr Weg sie über die Rokko-Berge hinweg nach Norden. Denn auch die ländlichen Regionen dort gehören noch zum Stadtgebiet. Was sie dort finden: heiße Quellen für die japanischste Art der Entspannung.
Konkret möchten wir euch den Ort Arima Onsen ans Herz legen, der zu den drei bekanntesten Onsen-Orten Japans gehört – und das schon seit Jahrhunderten. Von Kobes Stadtzentrum aus führt eine Zuglinie um die Berge herum nach Arima, vom Rokko-san selbst führt die Rokko-Arima-Seilbahn hinab in den Ort.

Arima gilt als einer der ältesten Badeorte Japans, seit über 1300 schwören die Japaner auf die wohltuende Wirkung des natürlichen heißen Quellwassers. Sogar im Nihonshiki, einem der ältesten Schriftwerke Japans, kommen die Quellen bereits vor. Wer in Arima Onsen spazieren geht, wandelt auf den Pfaden der Kaiser und Shogune – viele frühere Herrscher Japans verbrachten hier einige ruhige Tage.
Neben einigen großen Hotels hat Arima auch mehrere traditionelle Ryokan für Übernachtungen im Repertoire. Nach dem Baden lohnt sich ein Abstecher in die Einkaufsstraßen im Zentrum des Ortes, die im Stil der Edo- und Meiji-Zeit wie eine Zeitreise wirken. Hier gibt es Souvenirs, lokale Spezialitäten und gemütliche Gasthäuser zu finden.

Wichtig für den Onsen-Besuch ist für westliche Besucher vor allem eins: informiert euch vorher, ob Tattoos in eurem ausgewählten Onsen womöglich ein Problem darstellen. Tattoo-Verbote in Onsen sind in Japan weit verbreitet, und selbst ein neutrales kleines Tattoo am Handgelenk kann euch den Badespaß verderben. In den Spa-Anlagen moderner Hotels, aber auch in einigen traditionellen Onsen, ist man mittlerweile offener – ansonsten hilft nur das Abkleben per hautfarbenem Pflaster.
Wie ihr seht, hat Kobe auch abseits der Rinderzucht einiges zu bieten. Lasst die Stadt darum nicht links liegen, wenn ihr euch in Kyoto und Osaka aufhaltet, sondern plant ruhig ein paar Tage mehr ein. Als Lohn warten Bilder und Erlebnisse, die vielen Reisenden entgehen.