Der 6. August 1945 ließ die japanische Stadt Hiroshima auf grausame Weise in die Weltgeschichte eingehen. Um 8:16 legte der erste Atombombenabwurf aller Zeiten die Großstadt in Schutt und Asche, hunderttausende Menschen starben im Feuersturm und den späteren Folgen des Bombenabwurfs. Reisende finden hier eine Mischung aus berührender Gedenk-Kultur, aufrüttelnden Mahnungen, aber auch kulinarische Besonderheiten und einen der drei schönsten Ausblicke Japans.
Auferstanden aus der Asche präsentiert sich Hiroshima heute als moderne Stadt, die sich wie kaum eine andere um den Frieden in der Welt. Beim Besuch in Hiroshima fällt schnell das Fehlen historischer Gebäude auf. Rund 90 Prozent der Häuser in der Stadt wurden innerhalb von Sekunden komplett vernichtet. Die wenigen Objekte, die den Angriff überstanden – ob Bäume oder ein markantes Schreintor, dienen heute mit ihren Brandwunden als Teil der Mahn- und Erinnerungskultur der Stadt.
Hiroshima – Stadt der Wunden und der Heilung
Frieden, so lautet das Kredo der Stadt seit nunmehr fast 80 Jahren. Im Rahmen der jährlichen Gedenkzeremonien rufen Hiroshimas Bürgermeister seit jeher zur Abschaffung der Atomwaffen und zum Frieden in der Welt auf. Das Schicksal Hiroshimas und Nagasakis soll nie wieder eine andere Stadt treffen.
1. Gedenken im Grünen – der Friedenspark
Der große Friedenspark im Stadtzentrum Hiroshimas ist der zentrale Ort der Erinnerung und des Gedenkens an die Atombombe. Über 70 Monumente erinnern auf dem Parkgelände an die zahlreichen Opfer der Ereignisse. Der Park liegt am nördlichsten Zipfel der innerstädtischen Insel, die zwischen den beiden Flüssen Motoyasu und Honkawa liegt.
Auf dem heutigen Parkgelände lag früher der Stadtteil Nakajima, der im Zentrum des Angriffs stand. Ganz im Norden findet man den Neubau der Aioi-Brücke, die aufgrund ihrer markanten T-Form den visuellen Zielpunkt für den Bombenabwurf darstellte. Nur wenige Meter von der Brücke entfernt steht am Flussufer das wohl symbolträchtigste Bauwerk Hiroshimas.
Offiziell unter dem Namen „Friedensdenkmal in Hiroshima“ geführt, kennt man die Ruine mit ihrem kuppelförmigen Dach meist unter einem anderen Namen: Atombomben-Kuppel. Als Nakajima durch die Bombe praktisch dem Erdboden gleichgemacht wurde, war die ehemalige Industrie- und Handelskammer eines der wenigen noch stehenden Gebäude. Seit 1996 zählt es als UNESCO-Welterbe und mahnt die Zerstörungskraft nuklearer Waffen an.

Das Friedensdenkmal bildet einen der Endpunkte der zentralen Sichtachse des Friedensparks, die mehrere der wichtigsten Gedenkstätten verbindet. Vorbei am Kinder-Friedensmonument, dass der Schülerin Sadako Sasaki gewidmet ist und ein Mädchen sowie einen großen Origami-Kranich zeigt, führt die Achse zum Friedensteich.
An dessen Nordseite findet sich die Flamme des Friedens, eine ewige Flamme, die seit 1964 ununterbrochen lodert. Erlöschen soll sie erst, wenn die Welt frei ist von Atomwaffen. Optisch verbunden wird die Flamme mit dem am südlichen Teichufer gelegenen Kenotaph für die Opfer der Atombombe. Im Kenotaph findet sich eine Liste der Opfer der Atombombe – sowohl des direkten Abwurfs, als auch der Spätfolgen. Rund 300.000 Namen sind in der Liste erfasst.

Zwei bedeutende Gedenkorte sind zudem die Friedensglocke und das Atombomben-Hügel-Denkmal. Letzteres markiert den Ort, an dem die Überreste vieler Todesopfer direkt nach dem Angriff zusammengetragen und verbrannt wurden. Heute liegt unter dem Hügel die Asche von rund 70.000 Menschen.
Die Friedensglocke wiederum ist zentraler Bestandteil der jährlichen Gedenkzeremonien. Ihr Klang läutet die Schweigeminute um 8:16 ein. Auf der Glocke, die im Stil buddhistischer Tempelglocken gegossen ist, wird eine Welt ohne Grenzen gezeigt.
2. Eine Warnung an die Welt – das Friedensmuseum
Das Friedensmuseum Hiroshima ist Teil des Friedensparks und der zentralen Achse aus Gedenkstätten, wir haben es aber bewusst als eigenen Punkt herausgestellt. Der Park widmet sich dem Gedenken und der Hoffnung auf eine friedvolle Welt, im Friedensmuseum geht es um die Geschichte und die direkten Folgen des Bombenangriffs.
Hier werden die Schrecken der Atombombe in aller Deutlichkeit dargestellt – und das ist nichts für schwache Nerven. Auf einen Besuch im Museum solltet ihr euch daher mental vorbereiten. Um den ganzen Schrecken der Geschichte Hiroshimas zu verstehen, gibt es jedoch keinen besseren Ort in der Stadt.

Das Friedensmuseum erläutert die Vorgeschichte des Bombenabwurfs und die Rolle Japans und Hiroshimas im Zweiten Weltkrieg. Und das mit einer für japanische Geschichtsschreibung ungewöhnlichen Schärfe. So wird etwas der Militarismus der Showa-Zeit deutlich kritisiert, der Japan in einen Imperialismus führte, der in ganz Ostasien blutige Spuren hinterließ.
Detailliert wird im Museum auch gezeigt, welche Auswirkungen die Atombombe auf die Stadt und die Menschen hatte. Modelle zeigen den Zustand Hiroshimas vor und nach der Explosion und lassen deutlich werden, wie zerstörerisch eine einzelne Atomwaffe ist. Anhand von Figuren wird außerdem gezeigt, wie die Hitze der Bombe Menschen buchstäblich die Haut vom Körper schmelzen ließ.
Augenzeugenberichte von Überlebenden des Abwurfs sind im Museum ebenso zu finden wie Alltagsgegenstände, die aus den Überresten der Stadt geborgen wurden. Eine stehengebliebene Armbanduhr, ein verbranntes Dreirad und eine blecherne Bento-Box zeigen deutlich, wer hier zum Opfer der kriegerischen Eskalation wurde.
Auch drastische Ausstellungsstücke wie eine Treppe, in die der Umriss eines Atombombenopfers eingebrannt ist, das innerhalb von Sekunden zu Asche verbrannte, sind zu sehen. Ein Besuch im Friedensmuseum schlägt aufs Gemüt, doch er sollte in jedem Fall Teil einer Hiroshima-Reise sein, wenn ihr euch dem gewachsen fühlt.

3. Der schwimmende Schrein von Miyajima – Itsukushima
Rund zwanzig Kilometer von der Küste Hiroshimas entfernt liegt in der japanischen Inlandsee die Insel Miyajima – wörtlich die „Schrein-Insel“. Sie ist eine der ältesten heiligen Stätten Japans und heute einer jener Orte in Japan, die sich mit der Thematik des Over-Tourism auseinandersetzen müssen.
Über viele Jahrhunderte galten auf Miyajima besondere Regeln, die heute durchaus bizarr anmuten. Denn hier wurde das shintoistische Gebot der „Reinheit“ streng umgesetzt. Frauen, die aufgrund der Menstruation als unrein galten, durften Miyajima bis ins 20. Jahrhundert nicht betreten. Und auch das Sterben war auf der Insel untersagt – Sterbende wurden aufs Festland gebracht, um mit ihrem Tod die Insel nicht zu verunreinigen. Auch heute gibt es keinen Friedhof auf Miyajima, Verstorbene werden auf der Hauptinsel Honshu beigesetzt.
Von Hiroshima aus lässt sich Miyajima per Fähre erreichen. Das geht entweder direkt von der Stadt aus, oder mit einer kurzen Zugfahrt nach Miyajimaguchi, von wo aus die Überfahrt nur wenige Minuten dauert. Eine der Fährrouten wird direkt von der Zuggesellschaft Japan Rail betrieben und kann auch mit dem Rail Pass genutzt werden.
Am Fähranlager in Miyajimaguchi und auf der Insel selbst gibt es auch die Möglichkeit, eine beliebte Süßigkeit Hiroshimas zu probieren: die Momiji-Manju. Das sind weiche Küchlein in Form von Momiji, also Ahorn-Blättern, die etwa mit Bohnenpaste, Schokocreme oder Pudding gefüllt sind.

Auf Miyajima angekommen führt der Weg nach Süden durch einen malerischen Küstenort am Fuße der bewaldeten Berge. Begrüßt werdet ihr dort von wilden Sika-Hirschen, die ähnlich wie in Nara frei durch die Straßen laufen. Doch Achtung: die Tiere auf Miyajima sind wesentlich frecher als ihre Artgenossen auf Honshu und verbeißen sich auch gern einmal in Jacken und Rucksäcken.
Entlang der Einkaufsstraße Miyajima Omotesando lässt es sich wunderbar nach Souvenirs und typisch japanischen Snacks und Süßigkeiten shoppen, auch an Restaurants aller Preisklassen mangelt es auf der Insel nicht, bevor ihr schließlich den Itsukushima-Schrein erreicht. Itsukushima bedeutet soviel wie „Insel der Strenge“ – der ursprüngliche Name Miyajimas.

Die Haupthalle des Schreins und das große Torii gehören zu den bekanntesten Fotomotiven Japans und gelten schon seit Jahrhunderten als eine der drei schönsten Ansichten Japans. Denn der Hauptteil des Schreins steht auf Stelzen über dem Wasser und ist so gebaut, dass er bei Flut zu schwimmen scheint.
Gleiches gilt auch für das 16m hohe Torii, das abseits des Ufers im Wasser steht und nur bei Ebbe zu Fuß erreicht werden kann. Es ist eines der wenigen Torii mit sechs Füßen in Japan. Ein beliebtes Glücksritual ist es, Geldmünzen entweder in die von Wind und Wetter geschaffenen Lücken im Holz zu stecken oder zu versuchen, sie auf die Querbalken des Torii zu werfen. Nehmt euch darum beim Besuch in acht – herumfliegende Yen-Stücke sind am Itsukushima-Torii keine Seltenheit.

4. Hoch hinaus auf der heiligen Insel – Wanderung auf den Berg Misen
Für viele Besucher besteht ein Ausflug nach Miyajima aus Shopping, Restaurant und dem Bewundern des Itsukushima-Schreins. Bringt ihr jedoch mehr Zeit für die Insel mit, lohnt sich ein Ausflug zu ihrem höchsten Punkt – dem Berg Misen.
Dieser vollständig mit Wald bedeckte Berg ist ein Naturereignis für sich. An seiner Nordseite findet sich ein bis heute praktisch unberührter Urwald, wie er in Japan mittlerweile selten ist. Vom Berggipfel aus bieten mehrere Aussichtspunkte zudem großartige Blicke auf Hiroshima, Miyajima und die umliegenden Inseln der Seto-Inlandsee.
Auf dem Gipfel des 535m hohen Berges tummeln sich neben den bereits erwähnten Hirschen auch wilde Makaken-Affen. Die tummeln sich insbesondere in der Nähe des Shishiiwa-Aussichtspunkt, an dem auch die Endstation der Seilbahn auf den Berg liegt.

Zwei Hauptwanderwege führen hinauf auf den Misen, beide beginnen nicht weit vom Itsukushima-Schrein entfernt. Geübte Wanderer werden den Pfad zu schätzen wissen, der am Daishoin-Tempel beginnt und sich entlang des Shiraito-Flusses in die Berge windet. Er führt vorbei an jahrhundertealten buddhistischen Figuren und kleinen Schreinen und bietet ein Gefühl von wilder Natur.
Etwas bequemer geht es auf der Momojidani-Route zu. Die beginnt mit einer Wanderung durch das namensgebende Momiji-Tal, das während der Koyo, der Herbstlaubfärbung, zu einem Meer aus roten Blättern wird. Am Ausgang des Momijidani liegt zudem die Talstation der Bergbahn.
Beide Wege lassen euch letztlich das gleiche Ziel erreichen: die Tempelanlagen auf dem Gipfel des Misen. Dort soll sich der Mönch Kukai, einer der wichtigsten Verbreiter des Buddhismus in Japan, im Jahr 806 zur Meditation zurückgezogen haben.
Während seiner einhundert Tage auf dem Berg entzündete Kukai ein Feuer, das seitdem nicht erloschen sein soll. Zu sehen ist es in der „Kiezu no Reikado“ – der „Halle des nie verlöschenden Feuers“. Über dem Feuer ist ein traditioneller japanischer Kessel aufgehängt, in dem früher Essen gekocht wurde.
Das Feuer der Kiezu no Reikado ist zugleich auch Ursprung der ewigen Flamme, die ihr im Friedenspark sehen könnt, und Teil eines wichtigen Rituals. Zweimal im Jahr laufen Gläubige zu Ehren der Berggötter des Misen über glühende Kohlen, die ebenfalls an Kukais Feuer entzündet werden.

Habt ihr den Berg einmal erklommen und das ewige Feuer besucht, verpasst nicht den kurzen Abstecher zur Aussichtsplattform auf dem Gipfel. Der Weg dahin führt euch zwischen Felsen hindurch zu einem zweistöckigen Bau, von dem aus ihr für den anstrengenden Aufstieg mit einem genialen Ausblick belohnt werdet.
5. „Pfannkuchen“ im Hiroshima-Style – Okonomiyaki
Seid ihr in Hiroshima, dann gehört ein Abstecher in ein Okonomiyaki-Restaurant unbedingt auf die Agenda. Die Stadt ist berühmt dafür, ihren ganz eigenen Stil der japanweit beliebten Speise zu haben. Der mit viel Augenzwinkern geführte Konflikt zwischen Osaka und Hiroshima darüber, welche der Okonomiyaki-Varianten die bessere ist, dauert schon sehr lange an.
Hiroshima-Okonomiyaki zeichnen sich dadurch aus, dass sie in Schichten zubereitet werden. Wo in Osaka Teig und Zutaten als gemischte Masse auf den Teppan-Grill wandern, wird in Hiroshima differenziert. Teig, Kohl und weitere Zutaten – oft etwa Nudeln und ein Ei – werden einzeln gebraten und dann zu einem köstlichen Ganzen zusammengesetzt.

Dazu kommen auf Wunsch weitere Zutaten wie Meeresfrüchte, Schinkenstreifen, Käse und mehr, bevor würzige Okonomiyaki-Soße und geriebene Algen der Mahlzeit den letzten Schliff geben. In vielen Restaurants – insbesondere in den Kleineren – könnt ihr direkt an der Theke sitzen und zusehen, wie vor euch auf der heißen Grillplatte kunstfertig euer Okonomiyaki entsteht.
Okonomiyaki-Restaurants gibt es in Hiroshima unzählige und es fällt schwer, eine klare Empfehlung zu geben. Oft genannt wird das Okonomimura, ein Foodcourt, in dem viele kleine Stände ihre jeweils ganz eigenen Okonomiyaki-Variationen verkaufen. An der Qualität und der Atmosphäre des Okonomimura scheiden sich jedoch die Geister – manche sehen es als authentische Streetfood-Erfahrung, andere bemängeln Sauberkeit und Geschmack der dort servierten Speisen.
Nichts falsch macht ihr, wenn ihr in eurem Hostel, Hotel oder bei eurem Gastgeber nach einer Empfehlung fragt. Jeder Einwohner Hiroshimas wird es sich nicht nehmen lassen, euch sein persönliches Lieblings-Okonomiyaki-Restaurant zu empfehlen. Und wo die Einheimischen zufrieden sind, da könnt ihr getrost Essen gehen.
