Yokohama ist heute die zweitgrößte Stadt Japans. Über drei Millionen Einwohner leben in der modernen Großstadt in der Bucht von Tokyo. Sie halten eines der wichtigsten Zentren für Industrie und Handel im Land am Laufen. Wir nehmen euch mit in eine Stadt, die erst durch den Zusammenbruch der Samurai-Herrschaft groß wurde.
Denn noch vor zweihundert Jahren war dort, wo heute Handels- und Kreuzfahrtschiffe den Weg von riesigen Fischereibooten kreuzen, nur ein kleines Fischerdorf. Dann kamen die „Schwarzen Schiffe“, eine Flotte von amerikanischen Dampfschiffen und besiegelten den Anfang vom Ende der Samurai-Herrschaft.
Yokohama – vom Fischerdorf zur Hafenstadt
Japan wurde gezwungen, Handelsverträge mit westlichen Nationen einzugehen – und dafür einen Hafen einzurichten. Den passenenden Ort fand der Shogun in dem kleinen Fischerdorf südlich der japanischen Hauptstadt – Yokohama wurde geboren. Eine Ausländersiedlung entstand, dann Garnisonen und schließlich siedelten sich Unternehmen aus aller Welt an. Aus dem Fischerdorf wurde eine belebte Hafenstadt, die von ihrer Geschichte bis heute geprägt ist.
1. Minato Mirai – der „Hafen der Zukunft“
Auch wenn sich das heutige Stadtgebiet von Yokohama von der Küste dutzende Kilometer ins Landesinnere erstreckt und im Norden praktisch nahtlos in die Städte Kawasaki und schließlich Tokyo übergeht: wer Yokohama erkunden will, ist im Hafenviertel gut aufgehoben.
Denn dort, wo die rasante Entwicklung der Stadt ihren Anfang nahm, zeigt die Stadt auch ihre Eigenheiten, die sie so besuchenswert machen. Dafür begebt ihr euch vom Bahnhof Yokohama – nicht zu verwechseln mit dem Shinkansenbahnhof Shin-Yokohama – entweder zu Fuß oder mit der Minatomirai-Linie in Richtung der Station Sakuragicho.
Hier kann die Erkundung des Hafens beginnen. Das erste Markenzeichen Yokohamas seht ihr direkt beim Verlassen des Bahnhofs in Richtung Küste. Wie ein riesiger Leuchtturm aus Stahl und Beton ragt der markante Yokohama Landmark Tower auf, ein fast dreihundert Meter hoher Turm, der bei seinem Bau das höchste Gebäude Japans war. Von der 69. Etage des Tower bietet eine Aussichtsplattform einen grandiosen Blick über den Hafen. Bei gutem Wetter seht ihr sogar Landmarken wie den Tokyo Tower und Sky Tree, und natürlich zeigt sich mit etwas Glück die markante Form des Fuji-san selbst am Horizont.

Am Fuße des Landmark Tower liegt auf einer kleinen Landzunge der Nippon Maru Memorial Park, nicht zu übersehen durch die Nippon Maru selbst, ein Segelschiff, dass hier vor Anker liegt. Sie diente als Schulungsschiff der japanischen Marine, bevor sie außer Dienst gestellt und dauerhaft in Yokohama platziert wurde.
Vom Park aus gelangt ihr über die Kisha-michi-Promenade, die direkt durch das Hafenbecken verläuft, auf die Insel Shinko. Die Wege, die ihr hier beschreitet, sind allesamt Teil des „Minato Mirai 21“-Projekts, mit dem Yokohama den Hafen in den 90er Jahren zum neuen Mittelpunkt der Stadt machte. Denn zuvor war die Gegend zwischen Yokohama Station und dem historischen Geschäftsviertel Kannai wenig belebt.
Um einen Übergang zwischen Bahnhof und Hafen zu schaffen, entstand der Plan für Minato Mirai. Aus alten Docks und Hafenanlagen, sowie durch die Aufschüttung einer künstlichen Insel mitten in der Bucht, entstand ein modernes Viertel für Gastronomie, Kultur und Unterhaltung. Eine Konzerthalle und ein Kongresszentrum gehören ebenso dazu wie der Freizeitpark Cosmo World mit seinem berühmten Riesenrad „Cosmo Clock 21“, auf dem sich jederzeit die aktuelle Uhrzeit ablesen lässt.
Wer keine Lust hat, die Kisha-michi-Promenade abzulaufen, die übrigens in ihrem Verlauf den früheren Schienen zum Gütertransport im Hafen folgt, der kann auch gemütlich nach Shinko überschweben. Denn in der Nähe vom Bahnhof Sakuragicho startet die Yokohama Air Cabin, eine Seilbahn, die euch bequem und mit schönem Blick über den Hafen auf die Insel bringt.

Zu den markantesten Bauwerken auf Shinko gehören die Akarenga, ein weiteres Markenzeichen Yokohamas. Die Lagerhäuser aus roten Backsteinen sehen aus, als wären sie direkt einer norddeutschen Hansestadt entsprungen. Sie entstanden im Rahmen des Hafenausbaus Ende des 19. Jahrhunderts und dienten noch bis 1989 dem japanischen Zoll. Heute fungieren die Lagerhäuser als Veranstaltungsflächen und beinhalten außerdem ein Einkaufszentrum.
Zwischen den Akarenga und Meer liegt der kleine Akarenga-Park, von dem aus ihr direkt auf eine weitere Besonderheit des Viertels schaut: eine merkwürdiges Gebilde aus mehreren Etagen, auf dessen Dach eine grüne Wiese zu wachsen scheint. Das ist Osanbashi-Pier, eine Anlegestelle für Kreuzfahrtschiffe aus aller Welt.
Auch wenn ihr keine Kreuzfahrt plant, nehmt euch die Zeit für einen kleinen Gang über das Pier. Die begrünte und mit Holz vertäfelte Dachterrasse ist nämlich öffentlich zugänglich und gehört zu den ungewöhnlichsten Orten, die ihr im Hafen besuchen könnt. Sie trägt den Namen „Kujira no senaka“ – der Rücken des Wals. Gerade am Abend habt ihr vom Walrücken aus einen tollen Blick über den Minato Mirai-Bezirk.

2. Kannai und Yamashita-Park – Wo Yokohama begann
Seid ihr unserem Weg durch Minato Mirai gefolgt, dan steht ihr praktisch schon direkt in unserer nächsten Empfehlung. Denn mit dem Weg zum Osanbashi-Pier seid ihr auch im Viertel Kannai angekommen. Hier ließen sich einst Unternehmen aus aller Welt in Yokohama nieder, heute ist Kannai der Sitz der Stadtverwaltung und ein bedeutendes Geschäftsviertel.
Tatsächlich war es hier in Kannai, wo das Shogunat eine Ausländerssiedlung einrichtete, in der sich die Händler und Geschäftsleute nach der erzwungenen Öffnung des Handels niederlassen konnten. Am Osanbashi-Pier legten entsprechend den Verträgen zu jener Zeit die Schiffe aus aller Welt an, um ihre Waren in Japan zu vertreiben. Mit künstlichen Kanälen und bewachten Toren wurden die Wohnbereiche von Ausländern und Japanern streng voneinander getrennt.
Trotzdem hatte der Handel und die Anwesenheit der Ausländer natürlich Auswirkungen auf die Stadt. Das erste Bier, die erste Eiscreme und die ersten Gaslaternen in Japan, sie alle sollen in Yokohama ihren Platz gefunden haben. Heute noch sieht man in Kannai viele Gebäude, die im westlichen Baustil so gar nicht dem üblichen japanischen Stadtbild entsprechen. Auch einige alte Wohngebäude und Friedhöfe können besichtigt werden.

Nach dem Durchstreifen der Straßen lohnt sich ein erholsamer Ausflug in den Yamashita-Park, der neben dem Osanbashi-Pier direkt an der Küste liegt. Der langgezogene Park ist auch bei den Bewohnern Yokohamas ein beliebter Ort zum Entspannen. Das zieht auch immer wieder Künstler an – ob Musiker oder Zauberer, im Yamashita Park könnt ihr mit etwas Glück gut unterhalten werden.
Im Park findet ihr zudem eine Reihe von Skulpturen und Denkmälern. Der Indische Brunnen wurde im Gedenken an die indischen Opfer des Kanto-Erdbebens von 1923 errichtet, die Girl Scout Statue erinnert an die Freundschaft der Pfadfinderinnen Japans und der USA.
Die Figur des „Mädchens mit den roten Schuhen“ wiederum basiert auf dem Kinderreim „Akai Kutsu“. In dem Reim geht es um ein Mädchen, das von einem Fremden von Yokohama aus ins Ausland mitgenommen wird. Ob die Geschichte eine historische Grundlage hat oder als Metapher gedacht ist, ist bis heute umstritten. Die Statue aber ist ein beliebter Treffpunkt im Park.
Wenn ihr außerdem erfahren wollt, wie sich eine Schiffsfahrt über den Atlantik am Anfang des 20. Jahrhunderts angefühlt haben muss, werdet ihr auf der Hikawa Maru fündig. Das ehemalige Passagier- und Lazarett-Schiff liegt im Park vor Anker und kann als Museum besucht werden. Während ihrer Glanzzeit fuhr die Hikawa Maru regelmäßig Passagiere von Yokohama nach Vancouver und Seattle.

Ihre Jungfernfahrt begann die Hikawa Maru übrigens in einer anderen bedeutenden Hafenstadt, der wir uns zuletzt gewidmet haben: Kobe in Zentraljapan. Im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs spielte das Schiff zudem eine Rolle auf den Fluchtrouten verfolgter Juden auf dem Weg in die USA und nach Kanada. Heute bietet es vor allem wegen seiner historischen Art Deco-Einrichtung einen interessanten Einblick in die Geschichte der Passagier-Schifffahrt.
Vom östlichen Ende des Parks solltet ihr ein Stück nach Norden laufen. Dort könnt ihr einem der bekanntesten Kampfroboter der Anime-Geschichte einen Besuch abstatten. Denn hier liegt die Gundam Factory Yokohama. Deren Herzstück ist ein lebensgroßes Modell eines Gundam, das sich teilweise bewegen kann. Ein Must-See für jeden Gundam-Fan, aber auch für alle anderen ein spektakulärer Anblick.
3. Yokohama Chinatown – Kurztrip nach Kanton
Einen Sonderplatz im historischen Stadtkern nimmt die Yokohama Chinatown ein. Unter den drei bedeutenden Siedlungen chinesicher Menschen in Japan in Kobe, Nagasaki und Yokohama ist sie die größte. Von den Chinesen, die in dem Gebiet leben, stammen die meisten aus Guangzhou im Süden Chinas. Dadurch ist vor allem die kantonesische Küche und Kultur in Chinatown präsent.
Die ersten chinesischen Siedler erreichten Yokohama gemeinsam mit amerikanischen und britischen Handelsgesellschaften. In ihrem Auftrag sollten sie den Handel mit Seide und Tee zwischen dem chinesischen Festland und Japan abwickeln. Von Yokohama wiederum gingen die Waren dann in den Westen.
Rund 250 chinesische Geschäfte und Restaurants finden sich in den Straßen von Chinatown. Ruhe solltet ihr hier nicht erwarten: an jeder Ecke blinkt irgendetwas, die Fußgängerzonen sind immer gut gefüllt mit Touristen und aus vielen Geschäften dröhnt Musik. Mit dem tatsächlichen Leben in chinesischen Städten hat Chinatown nur bedingt etwas zu tun – nur ein kleiner Teil der Ladenbesitzer sind heute tatsächlich noch Chinesen.

Trotzdem lohnt sich ein Besuch nicht nur wegen des skurrilen Spektakels und der Möglichkeit, sich mit der vielfältigen kantonesischen Küche vertraut zu machen. Auch in Sachen Architektur hat Chinatown zwei wichtige Besuchspunkte zu bieten.
Zum einen lohnt es sich, einen Besuch in Chinatown von Osten aus zu starten. Denn dann betritt man das Viertel durch das East Gate, ein großes Tor mit blau lackiertem Äußeren und goldenen Verzierungen. Vor allem nachts bietet das Tor einen faszinierenden Anblick und wirkt wie ein Weg in eine andere Welt. Auch an anderen Stellen von Chinatown finden sich markante Tore, dann aber üblicherweise in traditionellem Rot.
Zum anderen liegen im Viertel zwei taoistische Tempel, der Mazu Miao und der Kuan Ti Miao. Beide sind im chinesischen Stil errichtet und unterscheiden sich deutlich von den buddhistischen Tempeln, denen ihr sonst in Japan begegnet. Das macht sie zu einem spannenden Ziel für kulturell Interessierte und Freunde kunstvoller Architektur, denn beide Tempel sind reich verziert und bieten viele Details zum Entdecken.

4. Sankei-en Park – Ein Garten voller Geschichte
Auch wenn sich unser nächstes Ziel immer noch im Stadtbezirk Naka-ku befindet, so wie auch Minato Mirai, Kannai und Chinatown, solltet ihr auf dem Weg zum Park Sankei-en auf Zug und Bus setzen. Vom nächstgelegenen Bahnhof Negishi ist bis zum Parkeingang noch etwas mehr als ein Kilometer zurückzulegen, kürzer wird der Weg von der Bus-Station Honmoku – auch von dort sind aber noch gut 500 Meter zu Fuß zu bewältigen.
Der Haupteingang des Sankei-en liegt in einem ruhigen Wohnviertel, durch das keine Busse oder Bahnen fahren. Zu übersehen ist er nicht – markante Gartenmauern und ein großes Kassenhaus lassen euch wissen, dass ihr am Ziel seid.
Nehmt ihr den etwas umständlichen Weg auf euch, erwartet euch ein wunderschöner Landschaftsgarten, der Anfang des 20. Jahrhunderts nach den Prinzipien traditioneller Gartenbaukunst errichtet wurde.
Ein besonderes Merkmal des Sankei-en sind die vielen kleinen Gebäude, die der Gartenbauer Sankei Hara aus ganz Japan beschaffte. Im Sankei-en finden sich Bauten aus Tokyo, Kyoto, Kamakura und anderen Orten. Dreizehn von ihnen zählen zu den „Wichtigen Kulturellen Besitztümern“ Japans.

Der Gang durch den großen Park wird damit gleichzeitig zu einer Reise durch die japanische Architekturgeschichte. Eine dreistöckige Pagode, früher Teil des Tomyo-Tempels in Kyoto, ist Bestandteil des Parks, ebenso eine historische Holzbrücke.
Im sogenannten „Inneren Garten“ wiederum findet sich etwa eine frühere Sommerresidenz des Tokugawa-Clans aus der Präfektur Wakayama. Auch ein historisches Teehaus hat ihren Platz im Sankei-en gefunden. Während der herbstlichen Laubfärbung dient zudem ein alte Pavillon als zentraler Aussichtspunkt, um das Naturschauspiel zu genießen.

4. CupNoodles und Ramen Museum – Nudeln bis zum Umfallen
Nudelfreunde aufgepasst: Yokohama hat für euch nicht nur ein, sondern gleich zwei wichtige Anlaufstellen zu bieten. Beide lassen sich – im Gegensatz zum Sankei-en – gut erreichen. Folgt ihr unseren Reisetipps, dann liegt mindestens eines der beiden Ziele direkt auf dem Weg.
Auf der bereits erwähnten Insel Shinko liegt nämlich das CupNoodles Museum Yokohama. Hier dreht sich alles um Japans beliebteste Mahlzeit für kleines Geld – die Instant-Nudeln aus dem Plastikbecher und besonders den Marktführer „CupNoodles“. Im Museum erfahrt ihr, wie Momofuku Ando die Instant-Nudeln erfand und zu einem Erfolg in Japan und schließlich in der ganzen Welt machte.
Das geschieht auf äußerst interaktive und anschauliche Weise. Im Museum steht etwa ein originalgetreuer Nachbau der kleinen Hütte, in der Ando die ersten Instant-Nudeln mit Hühnergeschmack entwickelte. In der „Chicken Ramen Factory“ kann man diese dann sogar selbst herstellen – inklusive Teigkneten und Trocknen der Nudeln durch Frittieren.
In der Cupnoodles Factory wiederum dürft ihr eure ganz persönlichen Nudeln zusammenstellen – aus mehreren Suppenvarianten und Toppings und mit einem von euch selbst designten Becher. Ein tolles und in jedem Fall einzigartiges Souvenir. Wenn ihr nach dem Besuch hungrig seid, gibt es natürlich auch einen eigenen Foodcourt im Museum. Auf dem Noodle Bazar bewegt ihr euch entlang der „World Noodles Road“ und könnt Nudel-Variationen aus aller Welt probieren.

Vielleicht solltet ihr mit dem Essen aber noch warten – denn es gibt da noch das Shinyokohama Ramen Museum. Das liegt, wie der Name schon sagt, nahe der Station Shin-Yokohama, etwas abseits des Hafenviertels. Während es sich beim CupNoodles Museum aber in der Tat um ein Museum handelt, ist das Ramen Museum eigentlich eine Art Themen-Restaurant.
Auf drei Etagen sind im Ramen Museum kleine Ramen-Restaurants mit unterschiedlichsten Variationen der beliebten Nudeln aus ganz Japan vertreten. Was das Ramen Museum so besonders macht, ist die Zeitreise, auf die es euch mitnimmt.

Die Foodcourts, in denen sich die Restaurants befinden, sind Straßenszenen Japans zum Ende der 1950er Jahre nachempfunden. Eine Zeit, in der Japan sich von der Zerstörung des Kriegs erholt hatte und im wirtschaftlichen Aufschwung befand. Zwischen alten Telefonzellen, flackernden Neonlichtern und düsteren engen Gassen könnt ihr euch quer durch die Ramen-Landschaft futtern. Für das besondere Ambiete lohnt sich der niedrige Eintrittspreis sogar dann, wenn ihr gar nicht vorhabt, etwas zu essen.
Neben den Restaurants selbst wartet das Ramen Museum noch mit weiteren Besonderheiten auf. Regelmäßig beleben Künstler und Artisten aus Yokohama die historischen Szenerien. Einige der Aufbauten sind zudem mehr als nur Kulisse. So könnt ihr euch im Süßigkeitenladen mit Meiji-Zeit-Knabbereien eindecken und euch bei einer Wahrsagerin die Zukunft deuten lassen.