Wenn man sich aktuell in der japanischen Manga-Szene umsieht, stellt man fest, dass viele junge Künstler danach streben, eine Karriere als Zeichner zu starten. Die Zahl der Klassiker nimmt ab, viele neue Geschichten kämpfen um ihren Platz in den Herzen der Leser. Ein sehr betagter Zeichner stellt sich jetzt gegen den Trend.
Der Japaner Kakusai Han, 67 Jahre alt, hatte immer den Lebenstraum, Mangaka zu werden, den er nie aufgegeben hat. Obwohl mehr als 20 seiner Werke bei Wettbewerben abgelehnt wurden, hat Han immer weiter gemacht. Sein offizielles Debüt mit einer veröffentlichten Geschichte hatte der Künstler mit weit über 60 Jahren. Jetzt gelingt es dem Szenen-Neuling aber vermehrt, auch die Aufmerksamkeit der Verlage zu erregen.
Der Traum vom Leben als Mangaka ist nicht leicht zu erfüllen
Kakusai Han, mit bürgerlichem Namen Yoshifumi Miura wurde in Shintoku (Präfektur Hokkaido) geboren. Seinen Künstlernamen leitete der Zeichner von dem japanischen Wort „Hankakusa“ ab, was übersetzt so viel bedeutet wie „lächerlich“ oder „töricht“. Außerdem bezieht er sich auf Katsuhika Hokusai (1760 – 1849), der für ihn immer eine Inspiration war. Hokusai gilt als einer der größten Künstler der Edo-Zeit, und seine Ukiyo-e-Werke sind heute international bekannt. Auch Hokusai war bis im hohen Alter künstlerisch tätig.
Han war sich schon früh sicher, dass er sich keinen Trends anschließen, sondern vielmehr seine eigene Originalität beibehalten wollte, was er auch jungen Talenten rät. Der betagte Neuling entdeckte schon früh seine Leidenschaft für das Zeichnen. Damals wurden seine Illustrationen gelobt und in ihm wuchs der Wunsch, professioneller Mangaka zu werden. Während seiner Highschool-Zeit stellte Han aber fest, dass er scheinbar an seine künstlerischen Grenzen gestoßen war, denn er konnte sich nicht weiterentwickeln.
Egal wie sehr sich Han anstrengte, seine Werke ähnelten nach eigenen Angaben zu sehr denen anderer Künstler und einen eigenen Stil wollte er einfach nicht entwickeln. Er verlor seinen Mut und die Karriere als Manga-Künstler rückte in weite Ferne. Als Erwachsener machte Miura eine Lizenz als Judo-Therapeut, und begann als solcher in Tokachi (Hokkaido) zu arbeiten. Im Alter von 45 Jahren stellte er fest, dass seine Leidenschaft aber weiterhin dem Manga-Zeichnen gilt, weswegen er wieder vermehrt seine Aufmerksamkeit darauf konzentrierte.
Der Weg auf den Markt ist weit
Viele seiner Werke reichte Han bei den Wettbewerben für Manga-Talente ein, die der Verlag Shogakukan zweimal im Jahr veranstaltete. Dabei musste er aber viele Enttäuschungen hinnehmen. Die Einsendungen aller Teilnehmer werden von einer Autoren-Jury bewertet, wobei die Noten A bis E vergeben werden.
Hans Werke erhielten meistens die niedrigen Noten C und D. Für Insider der Branche stehen die Chancen, professioneller Mangaka zu werden, bei diesen Werten mehr als schlecht. Doch der Japaner hat nie aufgegeben. Mit Zuversicht machte er allmählich Fortschritte und gab deswegen seinen Traum von einer Profi-Karriere nicht auf. Han war immer auf der Suche nach der richtigen Idee, an sein Alter hingegen verschwendete er keine Gedanken.
Im Herbst 2019 reichte Han seinen Betrag „Nemuri ni Tsuku toki …“ („Wenn du einschläfst ..“.) beim Shogakukan-Wettbewerb ein und erregte damit die Aufmerksamkeit des stellvertretenden Chefredakteurs der Manga-Anthologie Big Comic Superior. Er bemerkte, wie komplex die Zeichnungen waren und dass viel Arbeit in diesen steckte. Das Jurymitglied war begeistert von der unerwarteten Handlung, die Fantasy und Erotik-Elemente verband. Bei anderen Jurymitgliedern stieß das Werk eher auf Ablehnung, weil die Zeichnungen als zu altmodisch empfunden wurden.

Langjährige Unterstützung führt ans Ziel
Han schaffte es in die Endauswahl, erhielt aber wieder keinen Preis. Allerdings erhielt ein Werk von ihm das erste Mal die Note A. Der Chefredakteur unterstützte den Manga-Neuling und meldete sich freiwillig als Lektor für weitere Geschichten. 2020 versuchte der Zeichner es erneut bei einem Wettbewerb, wobei er auch diesmal den Hauptpreis verpasste, aber viel Lob für seinen Manga „Yama de Kurasu Otoko“ („Der Mann, der in einem Berg lebt“) erhielt.
Obwohl der Zeichner mit seiner Frau ganztags eine chiropraktische Praxis betrieb, arbeitete er in den Abendstunden an seinen Manga weiter. Alle seine neuen Werke wurden im Big Comic Superior veröffentlicht und sprachen dort die Herzen der Leser an, gerade weil sie von einem Zeichner kommen, der auf eine reiche Lebenserfahrung zurückblicken konnte.
Im Oktober 2022 wurde mit „67-sai no Shinjin: Han Kakusai Tanpenshu“ („Der 67-jährige Newcomer: eine Sammlung von Kurzgeschichten von Kakusai Han“) der erste Sammelband des Mangaka veröffentlicht. Mittlerweile ist das Werk mit einer zweiten Auflage in Japan im Handel erhätlich. Trotzdem sieht Kakusai Han keinen Grund jetzt aufzuhören, nach eigenen Angaben hat er schon wieder mehrere Ideen im Kopf, die er umsetzen möchte.
