Visual Novels erfreuen sich in Japan großer Beliebtheit, sind aber hierzulande noch nicht so bekannt. Diese speziellen Games erzählen eine Geschichte, in der Spieler durch seine Entscheidungen Einfluss auf die Handlung nimmt. Die Spiele gibt es zu den unterschiedlichsten Genres. Das Game „DRAMAtical Murder“ nimmt verschiedene Boys-Love-Storys als Basis.
Der junge Aoba Seragaki lebt bei seiner Großmutter und jobbt in einem Ramschladen für Elektroartikel. Er ist mit seinem Leben eigentlich ganz zufrieden, auch wenn er im sogenannten „alten Viertel“ lebt, das der heutigen Zeit sehr ähnlich sieht. An seine Vergangenheit hat er so gut wie keine Erinnerungen mehr. Der Platinum Jail mit seinen zahlreichen Annehmlichkeiten ist für die meisten Bewohner des Viertels ein unerreichbares Ideal. Verschiedene Gangs, Ribsteez genannt, haben in Aobas Viertel die Kontrolle.
Während sich die Mitglieder früher in der realen Welt miteinander schlugen, werden diese Kämpfe mittlerweile im Game „Rhyme“ ausgetragen. Da Aoba sich aber bisher erfolgreich dagegen gewehrt hat, sich für eine der Ribsteez zu entscheiden, hat er mit dem Spiel nur wenig am Hut, bis er sich plötzlich einem wild gewordenen Monster-Kaninchen gegenübersieht, das ihn in einen Rhyme-Kampf verwickelt. Aoba entdeckt in der Welt von Ryhme eine völlig neue Seite an sich und trifft dort neue Freunden, aber auch alte Feinde, an die er sich blöderweise aber nicht erinnern kann.

Im Game kann sich der Spieler zwischen verschiedenen Boys-Love-Storys entscheiden, die der Anime in einer Geschichte zusammenbringt, ohne romantisch zu werden. Die jungen Männer werden Freunde oder Kameraden, ohne dass die Yaoi-Idee der Vorlage groß zur Sprache kommt.
Wie würdest du entscheiden?
Anders als das Spiel setzt der Anime „DRAMAtical Murder“ eher auf Science-Fiction und Psycho-Drama. Die Serie lässt Aoba in verschiedene, emotional schwierige Situationen kommen. Die Figuren, die er kennenlernt, tragen ihre eigenen dramatischen Geschichten mit sich herum, in die der junge Mann hineingezogen wird. Mit seiner Scrap-Fähigkeit kann Aoba in die Gedankenwelt seiner Mitmenschen eindringen und dort deren Vergangenheit am eigenen Leib miterleben.
Die verschiedenen Zusammentreffen sind eingebunden in eine Welt, in der die meisten Charaktere nach etwas Höherem streben, dabei aber in den Fängen ihrer Vergangenheit verharren. Die insgesamt 12 zusammenhängenden Folgen bieten aber nicht allen Charakteren den Platz, den sie eigentlich bräuchten und stellt deswegen nur die Grundzüge der Visual Novel dar. Trotzdem gelingt es dem Zuschauer eine Verbindung zu den Figuren aufzubauen und mit ihnen mitzufiebern. Das breite Spektrum an Charakteren ermöglicht es außerdem, eine breite Masse an Zuschauern anzusprechen.
Innerhalb der Geschichte wird die Boys-Love-Grundidee, ebenso wie Aobas alter Ego im Game nur angerissen, sodass der Anime mit einer FSK-Freigabe von 16 Jahren auskommt. Die OVA ist eine Sammlung von im Anime nicht verwendeten Szenen und nimmt starken Bezug sowohl auf die Grundidee des Games als auch auf die Psycho-Aspekte des Anime. Allerdings sind die zusammengewürfelten Sequenzen für das Verständnis des Anime nicht nötig und bieten teilweise nur für Fans von überspitzen Darstellungen einen Mehrwert.

Drama, Baby, Drama
Der Anime „DRAMAtical Murder“ stammt aus dem Jahr 2014, was man den Animationen aber nicht ansieht. Sowohl die Charaktere als auch ihre Umgebung sind detailliert dargestellt, wobei man auch hier das Genre in den Gestaltungen erkennt. Denn die größtenteils männlichen Figuren erweisen sich auf ihre Art als gutaussehend und sind für die weiblichen Zuschauer ein klarer Plus-Punkt.
Beim Platinum Jail bedienten sich die Zeichner einer Mischung aus futuristischen und bereits vorhanden Elementen. Die Luxus-Welt stellt auf jeden Fall einen krassen Kontrast zu der Welt von Aoba und seinen Freunden dar. Im Laufe der Geschichte bemerkt man aber, dass die Menschen dort nicht unbedingt glücklicher sind als die scheinbar armen Bürger der Altstadt. Die Rhyme-Avatare sind ein Hingucker für sich, was auch daran liegt, dass die virtuellen Kämpfe mit Tempo in Szene gesetzt sind, ohne an Schärfe zu verlieren.
Die ansprechenden Figuren und die verschiedenen Aspekte können sowohl männliche als auch weibliche Zuschauer überzeugen. Während sich die Zuschauerinnen über niedliche Allmates und gutaussehende Bishounen freuen, bleiben für die Zuschauer actionreiche Fights und futuristische Technik. Ein paar Anspielungen auf die ursprüngliche Game-Vorlage bringen nett anzuschauende Momente, ohne sich aber in den Vordergrund zu spielen.

Das eine oder andere Update schadet nichts
Die deutsche Übersetzung von HNYWOOD ist von den Dialogen her gut gemacht. Die Texte erweisen sich als passend und unterstreichen wie die Musik die Situationen. Auch hier hält man sich mit Anspielungen auf die ursprüngliche Idee des Games stark zurück, sodass man als Zuschauer die meiste Zeit das Gefühl hat, einen reinen Science-Fiction-Anime mit einer gehörigen Portion Drama zu schauen.
Was die Wahl der Sprecher angeht, so ist dies Geschmackssache. Insgesamt fiel die Wahl auf eher unerfahrene Sprecher, die zwar ihr Bestes geben, aber den Zuschauer nicht wirklich fesseln können. Brian Sommer als Aoba ist ein gutes Beispiel dafür. Seine Stimme wirkt die meiste Zeit über zu unscheinbar, wenn man bedenkt, was er eigentlich mit ihr ermöglichen kann. Wenn er in die Rolle des coolen und taffen Sly Blue schlüpft, macht Sommer einen großen Sprung, kann aber dennoch nicht schlüssig überzeugen.
Phillip Bösand steht als Ren vor der schwierigen Aufgabe, eigentlich eine künstliche Intelligenz in Form eines Allmates zu sein und dennoch die Sympathie der Zuschauer für sich zu gewinnen. Er hat durchaus überzeugende Momente, aber bleibt insgesamt dem allgemeinen Grundtenor treu, dass man sich durchschlagen kann, ohne wirklich zu brillieren. Die japanische Tonspur erweist sich an dieser Stelle als die bessere, was den Unterhaltungswert der Sprecher angeht.

Fazit
Für Fans von Science-Fiction mit einem leichten Hauch Boys-Love sowie viel Gefühl und Drama bietet „DRAMAtical Murder“ auf jeden Fall gute Unterhaltung. Die verschiedenen Charaktere haben zwar alle ihre Eigenarten, sind aber trotzdem letzten Endes eine gelungene Mischung, die zu unterhalten weiß. Selbst wenn man das Game nicht kennt, kann man der Handlung folgen. Da die Story nur 12 Episoden umfasst, schreitet der Plot recht schnell voran.
Auch die Animationen können überzeugen und vermitteln die Vorstellung einer futuristischen Welt, auch wenn nicht alles so perfekt ist, wie es im ersten Augenblick aussieht. Die Actionszenen sind fantasievoll und rasant in Szene gesetzt und die eine oder andere seltsame Gestalt sorgt für Abwechslung. Die Übersetzung ins Deutsche ist in Ordnung, auch wenn der Sprecher-Cast noch Luft nach oben lässt.
DRAMAtical Murder
Original Name: ドラマティカル マーダー
Transkription: Doramatikaru Mādā
Studio: NAZ
Deutscher Publisher: Anime House
Regisseur: Kazuya Miura
Drehbuch: Touko Machida, Kabura Fuchii
Musik: Yuki Hayashi
Erschienen am: 19. Mai 2023
Synchronisation: HNYWOOD GmbH
Dialogregie: Markus Lange
Länge: 12 Episoden + OVA
Freigegeben ab: 16 Jahre (OVA ab 18 Jahre)
Sprachen: Deutsch, Japanisch mit Untertitel
Medium: Blu-ray
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