Hexen und Zauberer haben es vor allem jungen Menschen schon immer angetan, Mangas auch – darum ist ein Manga über eine Hexe wohl eine logische Schlussfolgerung. Und was wünschen sich viele junge Menschen? Endlich erwachsen zu sein. Und das ist auch das Thema von Ran und die graue Welt, der 2022 bei Carlsen erschienen ist.
In der Geschichte von Akie Irie geht es um die titelgebende Ran, eine junge Hexe im Alter von vielleicht 12 Jahren. Sie ist der Spross einer mächtigen Zaubererfamilie und wünscht sich nur eins: Endlich erwachsen sein und auch so zaubern können wie ihre Mutter.
Kleine Hexe will erwachsen sein
Zum Glück gibt es da ein Paar ganz besondere Sneaker: Trägt Ran diese, verwandelt sie sich in eine junge Frau, die etwa zehn Jahre älter aussieht, als Ran eigentlich ist. Das macht ihr vieles leichter, allerdings bleibt ihr Geist doch der eines Kindes – mit all dem Chaos, der Neugier und Unbedarftheit, die das so mit sich bringt.
Ran lebt zusammen mit ihrem Vater und ihrem Bruder, die ebenfalls zaubern können, der Bruder kann sich in einen großen Wolf verwandeln. Ihre Mutter sieht sie nicht oft, da diese eine mächtige Zauberin ist, die die Aufgabe hat, ihr Dorf zu beschützen und daher selten einmal zu Hause ist. Das sorgt vor allem zwischen Mutter und Sohn für Schwierigkeiten.
Auch Ran gerät immer wieder mit ihrem älteren Bruder aneinander, der auf sie aufpassen soll und dem sie es dabei selten leicht macht. Vor allem die Versuche, zu ihrer Mutter zu gelangen, führen Ran immer wieder in gefährliche oder unbekannte Situationen, die sie jedoch nicht erkennen kann, weil sie dafür noch nicht die Reife besitzt.
Die Story ist witzig und unterhaltsam, wird dabei aber nie wirklich spannend. Sie plätschert eher vor sich hin, ein Großteil der Handlung dreht sich um Rans Versuche, als Erwachsene zu ihrer Mutter zu kommen, und die Probleme, die eine erwachsene Gestalt und ein kindlicher Geist mit sich bringen.
Mutter, Tochter, Sohn
Bei den Figuren stehen vor allem Ran, ihr Bruder, die Mutter sowie ein geheimnisvoller Fremder, über den wir noch nicht zu viel verraten wollen, im Fokus. Ran ist dabei aber ganz eindeutig die Protagonistin. Auf der einen Seite ist sie durchaus süß, der Wunsch, zur Mutter zu kommen verständlich und ihre Tollpatschigkeit einfach witzig, auf der anderen Seite kann sie einem auch ganz schön auf die Nerven gehen, da sie ständig unbedacht (auch für eine Mittelschülerin) handelt und die Arbeit gerne anderen überlässt.
Daher kann einem ihr Bruder fast schon etwas leidtun. Dieser wird als verantwortungsvoll beschrieben, kann seine kleine Schwester aber nicht in Zaum halten. Er versorgt die Familie mit Essen und verfügt selbst über starke magische Fähigkeiten, ist aber den größten Teil er Geschichte damit beschäftigt, seiner Schwester hinterherzulaufen oder sauer auf die Mutter zu sein.

Diese bekommt recht wenig Charakter, scheint es aber allen recht machen zu wollen – ohne aber auf deren genaue Bedürfnisse wirklich einzugehen. Den Frust ihres Sohnes über ihre häufige Abwesenheit scheint sie nicht zu verstehen und will ihn mit kleinen Zaubereien einfach fortwischen, ohne zu verstehen, dass es die Zauberei ist, die ihn eigentlich stört, weil sie es ist, die die Mutter von zu Hause fernhält.
Die anderen Figuren bleiben recht blass, positiv sticht noch ein Lehrer heraus, der sich Sorgen um Ran macht und versucht, sich ihrer anzunehmen und sicherzustellen, dass sie zu Hause nicht misshandelt und in der Schule nicht zu sehr gemobbt wird. Dieses wirklich wichtige Thema wird leider nur viel zu kurz angeschnitten und wirkt so leider etwas deplatziert.
Überzeugender Stil
Der Zeichenstil kann jedoch vollauf überzeugen. Alle Figuren sind detailverliebt herausgearbeitet und so bekomm jeder zumindest etwas Persönlichkeit. Der Stil ist nicht zu aufdringlich, aber auch nicht zu einfach. Er schafft es, den Leser mitzunehmen in eine Welt, die unserer nicht unähnlich, aber eben auch nicht die gleiche ist. Vor allem die Transformationen von Ran sind gut gelungen.

Und auch manche Passagen der Geschichte sind sehr unterhaltsam, immer wieder gibt es kleine Momente, in denen man laut auflachen oder zumindest schmunzeln muss. Dann merkt man, dass die Story durchaus mitreißen könnte – wenn sie nicht manchmal zu repetitiv und blödsinnig wäre.
Fazit
Insgesamt ist Ran und die graue Welt kein schlechter Manga. Er hat Charaktere mit interessanten Ansätzen, eine Geschichte, die immer wieder zum Schmunzeln bringt und einen zauberhaften Stil. Das Problem ist bloß, dass die Hauptfigur mit ihrem ständigen Egoismus und den manchmal wirklich dämlichen Entscheidungen, die sie trifft, einem leider ziemlich auf die Nerven gehen kann. Daher fiebert man dann nicht immer mit und wird häufiger aus der Story gerissen.
Dennoch lässt sich der Manga gut an einem Vormittag weglesen und man möchte doch auch wissen, wie es mit den Charakteren und der Geschichte weitergeht – vielleicht wird diese in den Folgebänden ja noch etwas spannender. Schade ist nur, dass das angeschnittene Thema Mobbing und Verantwortung der Schule eben das bleibt – angeschnitten.
Info
Ran und die graue Welt

Verlag: Carlsen Manga
Erscheinungsjahr: 2008 (Japan), 2022 (Deutschland)
Story & Illustrationen: Akie Irie
Seiten: 224
Preis: 12,00 Euro
Genre: Fantasy, Familie, Abenteuer
ISBN: 978-3-551-02363-6
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