Die Kausa Fukushima belastet seit Monaten die Beziehungen zwischen Japan und anderen asiatischen Ländern. Allen voran China und Südkorea kritisieren die Pläne, Wasser aus dem havarierten Kraftwerk ins Meer zu lassen.
Die geplante Maßnahme würde große Mengen behandeltes, aber trotzdem noch radioaktives, Wasser in den Pazifik leiten. Benachbarte Staaten sorgen sich um Auswirkungen auf die Meeresumwelt und die Wirtschaft. Bisher schaltete Japan aber auf stur und weigerte sich, die Bedenken überhaupt anzuerkennen.
Fukushima-Frage als Element der Annäherung an Südkorea
Mit den jüngsten Annäherungsschritten zwischen Japan und Südkorea, die auf eine jahrelange diplomatische Eiszeit folgen, kommt nun Bewegung in den Fall. Am 7. Mai reiste Japans Premierminister Kishida zu seinem südkoreanischen Amtskollegen Yoon. Mehr Kooperation wurde vereinbart – im Sicherheitsbereich, aber auch im Umgang mit Fukushima.
Verkündet wurde auf der Pressekonferenz nach dem Spitzentreffen der Plan, einem südkoreanischen Experten-Team den Besuch des havarierten Kraftwerks Fukushima zu ermöglichen und die Wasser-Situation zu beurteilen. Bereits am 12. Mai trafen sich nun Vertreter beider Staaten, um Details auszuarbeiten.
Im Anschluss gab Südkoreas Außenministerium bekannt, dass noch im Mai eine Delegation aus Südkorea für vier Tage nach Fukushima reisen wird. Ihre Aufgabe: festzustellen, ob das Ablassen des Wassers sicher ist – oder ein Risiko darstellt.
Das südkoreanische Team wird alle Anlagen inspizieren, die mit dem radioaktiven Wasser in Verbindung stehen und sich so ein umfassendes Bild verschaffen. Die Inspektion überhaupt zuzulassen, ist ein großes Eingeständnis von Japan und zeigt, wie ernst man es mit der neu auflebenden Beziehung zu Südkorea meint.
Inspektion ist Zugeständnis an Südkorea
Schließlich beharrte Japan bisher darauf, von dem Ablassen des Wassers gehe keine Gefahr aus. Im Sommer solle die Maßnahme definitiv durchgeführt werden. Und alles werde in Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA stattfinden. Andere Staaten, so der Tenor, hätten mit der Sache nichts zu tun und sollten sich doch bitte heraushalten.
Die großen Mengen belasteten Wassers entstanden über die letzten zwölf Jahre als Abfallprodukt von Maßnahmen am havarierten Reaktor in Fukushima. Um geschmolzenes nukleares Brennmaterial zu kühlen, wurde tonnenweise Wasser benötigt. Weil die Anlagen notdürftig errichtet wurden, mischte sich das Kühlwasser zudem mit Grund- und Regenwasser.
Rund 1,33 Millionen Tonnen behandeltes Wasser lagern mit Stand April 2023 auf dem Gelände. Die Gesamtkapazitäten zur Lagerung betragen laut Betreiber TEPCO 1,37 Millionen Tonnen. Darum auch die Eile Japans bei der Entsorgung. Wartet man noch länger, droht eine Überfüllung der Anlagen – und dann landet das belastete Wasser womöglich direkt in der japanischen Erde.
Seit April werden deshalb mit Hochdruck die notwendigen Vorrichtungen aufgebaut, um das Wasser abzuleiten. Das stößt nicht nur international auf Kritik, sondern auch vor Ort. Anwohner in der Region Fukushima, allen voran Fischer, sorgen sich um die Auswirkungen.
Lokale Fischereiwirtschaft rechnet mit Schäden
Denn ganz unabhängig von den Bekundungen der japanischen Regierung, und auch wenn die südkoreanischen Experten und IAEA die Entsorgung für vertretbar erklären: die Fischereiwirtschaft könnte in jedem Fall leiden. Schließlich reicht auch nur die Vermutung, dass Fisch in der Region radioaktivem Wasser ausgesetzt sein könnte, um Verbraucher vom Kauf abzubringen.
Noch 2015 versprach die japanische Regierung den Fischern in Fukushima, dass eine Entsorgung des Wassers nur im Einverständnis beider Parteien passieren sollte. Tatsächlich scheinen die aktuellen Pläne aber ohne jegliche Absprachen mit der Wirtschaft vor Ort voranzuschreiten.
Das besorgt die Fischer, deren Geschäft sich über die Jahre nur langsam erholt hat. Zwölf Länder weltweit, darunter Russland und China, halten heute noch Einfuhrbeschränkungen für Produkte aus Fukushima aufrecht – direkt nach dem Reaktorunglück waren es 55 Staaten.
Trotz strikter Überwachung der Lebensmittelsicherheit in der Region und Marketing-Kampagnen leidet das Geschäft unter dem Ruf nach der Katastrophe. In 2022 erzielten die Fischer zwar ihre höchsten Gewinne seit 2011, die lagen aber immer noch bei gerade mal 40 Prozent der Zahlen vor dem Reaktorunfall.
Mit TEPCO verspielt Japan Vertrauen in der Welt
Mit einem Hilfsprogramm im Umfang von 80 Milliarden Yen (ca. 538,8 Millionen Euro) will Japans Regierung den Fischern helfen, die erwarteten wirtschaftlichen Einbußen aufgrund der Rufschädigung der Region abzufedern. Wie man langfristig aber die Bedenken gegenüber Fisch und Lebensmitteln aus Fukushima ausräumen will, bleibt unklar. Geld allein wird dafür nicht ausreichen.
Denn auch wenn alle Prozeduren sich an internationale Richtlinien und Grenzwerte halten – Japans Regierung erweist der Region einen Bärendienst. Schließlich lässt man die Entsorgung der Abwässer von TEPCO durchführen, dem Unternehmen, dass die schlimmste Atomkatastrophe der Welt seit Tschernobyl zu verantworten hat.
Das ist einer der Hauptgründe, warum es so viele Zweifel an der Maßnahme gibt. TEPCO hat das Vertrauen im Land und international schon vor zwölf Jahren verspielt. Nur durch eine transparente und strikte Überwachnung von Seiten der zuständigen Behörden wird es möglich sein, den Schaden für Fukushimas Ruf in Grenzen zu halten.
Experten raten außerdem dazu, mehr Aufklärung darüber zu leisten, was es mit dem behandelten Wasser auf sich hat. Denn nach der Behandlung ist das Wasser zwar weiter radioaktiv, enthält jedoch fast nur noch das Element Tritium. Hochradioaktive und gefährliche Stoffe wie Cäsium und Strontium wurden im Laufe der Dekontaminierung fast vollständig ausgefiltert.
Tritium ist nur gering radioaktiv und gilt als gesundheitlich überwiegend unbedenklich. Und es gilt als unwahrscheinlich, dass eine Anreicherung von Tritium im Körper von Fischen und Menschen auf ein bedenkliches Maß möglich ist. Entsprechende Forschung zu fördern und Experten auszubilden, um aus den Ungewissheiten Sicherheiten zu machen, sollte nun Japans Priorität sein. Nur so kann das Vertrauen im Umgang mit den Folgen von Fukushima wiederhergestellt werden.