In Japan kämpfen weiterhin viele Menschen mit den Auswirkungen von Covid-19. Gegenseitiges Verständnis und Unterstützung scheinen in der schweren Zeit eigentlich selbstverständlich zu sein. Doch in der Gesellschaft bereitet sich immer mehr der Hass gegen Menschen aus, die in Verbindungen mit dem Virus stehen. Mobbing, Ausgrenzung und gewaltsame Vorfälle nehmen deswegen immer mehr zu.
Besonders von den Hasswellen betroffen sind Infizierte und ihre Familien, Ladenpersonal, Paketlieferanten und Gesundheitspersonal. Das ist nicht nur gegenüber den Betroffenen ein großes Problem, sondern auch bei der Verhinderung der Ausbreitung des Virus. Wenn Infizierten nämlich Mobbing droht, lassen sich viele Menschen vermutlich nicht mehr testen, aus Angst vor den Anfeindungen.
Gerüchte über Patienten werden verbreitet
In den vergangenen Tagen gab es bereits mehrere bestürzende Vorfälle. Unter anderem wurde der Kyoto Sangyo University mit einem Brandanschlag gedroht. Ein Abgeordneter aus Osaka bezeichnete junge Infizierte als Mörder von älteren Personen und in Mie wurde das Haus eines Patienten mit Steinen beworfen.
Wie schnell die Lage eskaliert, erklärt Arisa Kadono aus Himeji. Sie wurde Anfang April positiv auf den Virus getestet und ins Krankenhaus gebracht, wo sie drei Wochen blieb. Ihre Identität wurde zwar nicht bekannt gegeben, trotzdem erfuhr sie von Freunden, dass Gerüchte zu ihr im Umlauf sind.
Unter anderem behaupteten die Menschen, dass das Restaurant, in dem sie arbeitet, ein Virushotspot sei oder dass sie heimlich aus dem Krankenhaus schleicht und so den Virus weiter verbreite. Die Menschen behandelten Kadono plötzlich wie eine Kriminelle. Sie selbst hatte Glück und wies abgesehen von Fieber keine schweren Symptome auf. Ihre Mutter erkrankte hingegen an einer Lungenentzündung und war auf der Intensivstation.
Krankenschwestern bitten um Verständnis
Aufgrund der erlebten Vorurteile und der Diskriminierung entschied Kadono nach ihrer Genesung ihre Geschichte öffentlich zu machen, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Sie möchte erreichen, dass die Menschen aufhören die Infizierten wegen ihrer Erkrankung zu beschuldigen.
Auch eine Krankenschwester in den 30ern äußert sich zu dem Problem. Sie verstehe, dass Menschen Angst vor dem Virus haben. Das medizinische Personal arbeitet jedoch hart an der vordersten Linie und das unter enormem Druck. Sie haben ebenfalls Familien, um die sie sich kümmern. Dass sie nur aufgrund ihres Jobs angefeindet werden, ist laut ihr entmutigend und demoralisierend.
Auch Toshiko Fukui, Leiterin der Japanese Nursing Association, bittet um Unterstützung statt Hass. Niemand frage nach was Besonderem. Ein Wort des Dankes sei schon genug, um die Motivation aufrechtzuerhalten. Dazu könnte die Stigmatisierung zu mehr Todesfällen führen, weil die Menschen sich nicht behandeln lassen wollen. Tatsächlich werden immer mehr Menschen tot in ihren Häusern oder der Straße gefunden, die später auf den Virus getestet wurden.
Problematik ist tief in Japans Gesellschaft verwurzelt
Die Regierung selbst versucht bereits zu helfen und startet eine Kampagne zur Sensibilisierung gegenüber medizinischen Fachkräften. Dazu ist es verboten, dass Kindergärten Kinder von medizinischem Personal ausschließen. Eine Krankenschwester aus Hokkaido gab an, dass es nur der erste Schritt in die richtige Richtung sei. Ihr wurde unter anderem von Nachbarn zugejubelt und sie erhielt Kleinigkeiten wie Pancakes, Bratnudeln und Milch.
Die Maßnahmen scheinen allgemein bis jetzt jedoch nur ein wenig zu helfen und das Problem selbst nicht zu beseitigen. Weiterhin ist medizinisches Personal in Parks, Restaurants und sogar Taxis unwillkommen. Teilweise werden Familienmitglieder beurlaubt oder für Jobs abgelehnt.
Experten sehen den Ursprung für das Verhalten tief verwurzelt in der japanischen Gesellschaft. Neben der Angst vor einer Ansteckung spielt ebenfalls Japans Verständnis von Reinheit und Sauberkeit eine Rolle. Die japanische Gesellschaft lehnt selbst fremde, unreine und auch problematische Dinge ab. Aus diesem Grund werden Personen und ihre Familien von dem Mobbing getroffen, da sie, wenn auch nur im Entferntesten, mit dem Virus in Verbindung stehen.
Premierminister verurteilt das Verhalten
Japan selbst besitzt eine Vergangenheit mit vielen Diskriminierungen wegen Krankheit. Unter anderem litten Leprakranke jahrelang unter den Vorurteilen. Auch Opfer der Atombomben von 1945 kämpfen bis heute gegen die Stigmatisierung, genau wie die Betroffenen der nuklearen Katastrophe in Fukushima. Erkrankte gelten in Japan allgemein als unrein und deswegen als gefährliche Personen, die ausgeschlossen werden sollen, um eine Ansteckung zu verhindern.
Premierminister Shinzo Abe und andere Beamter verurteilen derartige Denkweisen und das eskalierende Verhalten scharf. Abe bezeichnet es als sehr beschämend und weist darauf hin, dass jeder sich anstecken kann. Umso erfreulicher sehen es die Politiker an, wenn Menschen genau das Gegenteil tun und versuchen die Menschen so gut es geht zu unterstützen.
Einige Menschen drücken in Botschaften ihre Wertschätzung für medizinisches Personal oder Menschen in anderen wichtigen Berufen aus. Zusätzlich wird Geld gesammelt, um es an Krankenhäuser oder andere Einrichtungen zu spenden. In Tokyo versorgen Sterneköche medizinisches Personal kostenlos mit Betonboxen.
MS