Gesundheitsexperten in Japan warnen vor einen schnellen Anstieg der Todesfälle durch Covid-19, da die Krankenhäuser im Land immer stärker unter Druck geraten und nun dazu gezwungen sind zu entscheiden, wer behandelt wird und wer nicht.
Die Zahl der Todesfälle überstieg am 9. Januar landesweit insgesamt die 4.000, mehr als 1.500 (40 Prozent) sind im Januar an der Infektion mit dem Coronavirus gestorben.
Kaum noch Beatmungsgeräte verfügbar
Der Sieben-Tage-Durchschnitt an Todesfällen durch COVID-19 lag in Japan Ende Oktober bei acht. Die Zahl stieg auf 22 Ende November und auf 53 am Ende des letzten Monats.
Wenn das derzeitige Tempo anhält, wird die Zahl der Todesopfer bis zum Ende dieses Monats voraussichtlich auf über 5.000 steigen.
Während der dritten und schwersten Welle von Coronavirus-Infektionen füllen sich die Krankenhausbetten in Japan, insbesondere in den städtischen Zentren. In einigen Gebieten sind Beatmungsgeräte für COVID-19-Patienten mit schweren Symptomen nicht mehr verfügbar.
Die Stadtverwaltung von Tokyo beschreibt schwere COVID-19-Fälle als solche, die Beatmungsgeräte oder extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO-Lungenbypass-Maschine) benötigen. Mit Stand vom 5. Januar werden 111 Patienten mit solchen Geräten behandelt.
Für viele Patienten mit schwerwiegenden Symptomen wurden jedoch die Atemunterstützungsgeräte nicht angefordert. Wenn man diese mit einbezieht, beträgt die Gesamtzahl der schweren Fälle in Japans Hauptstadt 186.
Weitere 170 Patienten in Tokyo befanden sich in einem Zustand, der jederzeit ein Beatmungsgerät erforderlich machen könnte, oder hatten sich gerade so weit erholt, dass die Geräte entfernt werden konnten.
Die Zahlen der lokalen Behörden für die schweren Verläufe der Infektion allein spiegeln allerdings nicht die schwierige Situation wider, mit der die Krankenhäuser jetzt konfrontiert sind, sagten Gesundheitsexperten.
Menschen warten ohne ausreichende Behandlung auf ihren Tod
Hideaki Oka, ein Professor für Infektionskrankheiten am Saitama Medical Center in Kawagoe, in der Präfektur Saitama, sagt, dass einige schwer kranke COVID-19-Patienten in seinem Krankenhaus ohne Beatmungsgeräte sind, weil es nicht genügend Personal gibt, das für den Einsatz der Geräte ausgebildet ist.
„Die Patienten warten ohne Beatmungsgeräte auf das Ende ihres Lebens, nachdem die verfügbaren Medikamente keine Besserung gebracht haben“, so der Professor.
Oka beaufsichtigt 23 Betten für COVID-19-Patienten mit leichten oder mittelschweren Symptomen, sowie vier Intensivbetten für Patienten mit schweren Infektionsverläufen.
Die meisten Patienten, die seit Beginn der dritten Welle im Herbst in sein Krankenhaus eingeliefert wurden, das der Saitama Medical University angegliedert ist, sind entweder älter oder haben Vorerkrankungen, was sie einem höheren Risiko aussetzt, schwere Symptome zu entwickeln.
Da die Zahl der Menschen mit schweren Symptomen seit Dezember sprunghaft angestiegen ist, waren zu Beginn dieses Monats alle vier Betten belegt. Drei Betten, die für Patienten mit leichten oder mittelschweren Symptomen vorgesehen waren, wurden für Patienten in ernstem Zustand umfunktioniert.
Experten warnen vor der Überlastung
Oka sagte, es sei nun schwierig, zusätzliche Patienten aufzunehmen. „Wir haben ältere Patienten in ernstem Zustand aus anderen Einrichtungen unter der Bedingung aufgenommen, dass sie deutlich machen, dass sie keine Behandlung mit Beatmungsgeräten oder anderen Geräten wünschen“, so Oka. „Mittlerweile muss immer öfters entschieden werden, wer behandelt wird und wer nicht (Triage).“
Die Krankenhäuser in der Präfektur Osaka befinden sich mittlerweile in einer ähnlichen Situation.
In der Präfektur waren 77 Prozent der 281 Patienten, die zwischen dem 10. Oktober und dem 23. Dezember starben, nicht an Beatmungsgeräten oder auf der Intensivstation.
Basierend auf den Trends während der Pandemie, wird ein Anstieg der neuen Infektionen vor ein paar Wochen bald zu einem starken Anstieg der Zahl der schweren Fälle führen.
Die medizinischen Einrichtungen in den Großstädten sind bereits mit Patienten überflutet, sodass es schwierig ist, freie Betten für schwer kranke COVID-19-Patienten zu finden.
Oka malte ein düsteres Bild für das Gesundheitssystem in vielen Teilen Japans. In den kommenden Wochen, so sagte er, wird der Zugang zu Beatmungsgeräten so eingeschränkt sein, dass mehr Patienten an der Krankheit sterben werden, weil sie keine angemessene Behandlung erhalten.
„Was die schwer kranken COVID-19-Patienten betrifft, haben die Krankenhäuser bereits jetzt nicht mehr die Möglichkeit, sie alle zu behandeln“, so der Professor. „Die Zahl der Todesfälle könnte in den kommenden Tagen stark ansteigen, verglichen mit den bisherigen Zahlen.“
Satoshi Hori, Professor für die Kontrolle von Infektionskrankheiten an der Juntendo Universität in Tokyo, schloss sich der Ansicht an und sagte, dass die medizinische Behandlung für schwere Fälle knapper werden wird.
Hori rief junge Menschen dazu auf, sich vorsichtig und verantwortungsbewusst zu verhalten, auch wenn es in jüngeren Altersgruppen weniger wahrscheinlich ist, dass sie nach einer Ansteckung mit dem Virus ernsthafte Symptome entwickeln.
„Sie könnten das Virus unwissentlich auf ältere Menschen und Menschen mit Grunderkrankungen übertragen“, sagte er. „Sie sollten geschlossene Räume und gemeinsame Abendessen mit Freunden vermeiden.“