In Japan gibt es immer mehr sogenannte „Hochigo“ und immer mehr Eltern sind ratlos, wie sie damit umgehen sollen.
Eine Frau aus der Kanto-Region erzählte auf Facebook davon, dass ein Junge fast täglich zu ihr nach Hause gekommen ist, um zu spielen.
Auf einmal war ein Junge da
Die Hausfrau gab dem Jungen Snacks und es war auch nicht ungewöhnlich, dass er mit der Familie zu Abend aß oder bis spät in die Nacht blieb. Doch dann stellte sie fest, dass der Junge weder ein Freund ihres Sohnes, noch ein Bekannter von ihm war. Die Frau wunderte sich, wieso der Junge regelmäßig zu ihr nach Hause kam.
Das klingt im ersten Moment vielleicht komisch oder etwas seltsam, allerdings kommt dieses Phänomen immer häufiger in Japan vor.
Hochigo – das sind Kinder, die zu Fremden in die Häuser gehen und dort viel Zeit verbringen oder ziellos durch die Straßen von Japan laufen. Kinder, die von ihren Eltern unbeaufsichtigt gelassen werden, da diese viel arbeiten müssen oder ihnen ihre Kinder schlicht weg egal sind. Wörtlich übersetzt heißt Hochigo so viel wie „alleinstehendes Kind“. Das Wort wurde 2010 in Wörterbücher aufgenommen
Hochigo – Kinder ohne Aufsicht
Es gibt keine konkreten Zahlen darüber, wie viele Hochigo es gibt, aber immer mehr Eltern berichten in den sozialen Medien über ihre Erlebnisse und diskutieren darüber, wie sie die Kinder wieder aus ihren Häusern bekommen.
Experten weisen nun darauf hin, dass ein Sicherheitsnetz aufgebaut werden muss, um diese Kinder und deren Eltern zu unterstützen. Das Problem ist allerdings, dass viele Eltern gar nicht wissen, das sie ihre Kinder vernachlässigen, sondern glauben, dass sie ihnen Freiheiten gewähren.
Japan fördert Eigenständigkeit bei Kindern
Japan gilt als ein sicheres Land und ein Land, in dem Kinder von klein auf unabhängig sein müssen. Die Gesellschaft fördert diese Unabhängigkeit durch die Akzeptanz, dass Kinder in Japan viel mehr als in anderen Ländern für sich selbst sorgen können.
Das erkennt man insbesondere daran, dass japanische Grundschulkinder bereits in der ersten Klasse alleine nach Hause gehen oder allein mit dem vollen Zug fahren. Etwas, dass in anderen Ländern nur selten vorkommt.
Die Mutter, die von ihren Erfahrungen berichtete sagte, dass die Besuche begannen, als ihr Sohn einmal nach der Schule eine Klassenkameradin nach Hause brachte. Hinter ihrem Sohn und seiner Freundin stand ein anderer Junge, der etwas älter wirkte.
Sie dachte, dass er ein Freund ihres Sohnes sei und lud den Jungen ebenfalls zu sich ein. Für sie war es lange Zeit selbstverständlich, dass der Junge da war.
Doch als er anfing, sich ohne Erlaubnis Lebensmittel aus dem Kühlschrank zu nehmen, wurde sie langsam stutzig. Auch andere kleine Vorfälle ließen bei ihr Zweifel aufkommen und so fragte sie ihren Sohn nach dem Jungen. Dieser sagte nur erstaunt, dass er keine Ahnung hat, wer er sei.
Die Besuche hörten auf, nachdem die Frau mit einem Lehrer gesprochen hatte. Allerdings sah sie ihn noch oft alleine draußen herumhängen.
Gefährliches Herumhängen
Für Kinder ist dieses „herumhängen“ nicht ungefährlich, da Kindesmissbrauch in Japan zunimmt und in Hochigo leichte Opfer gesehen werden können. Erst vor Kurzem wurde ein Fall eines 12-jährigen Mädchens bekannt, das von einem Mann entführt wurde.
Experten sagen, dass ein Merkmal der Eltern von Hochigo ist, dass sie nur wenig Interesse daran haben, was ihre Kinder nach der Schule machen. Solche elterliche Apathie könne zu ernsthafter Vernachlässigung, Krankheit oder in einigen Fällen sogar zu Selbstmordgedanken führen.
Laut dem japanischen Bildungsministerium gab es ab 2018 landesweit mindestens 700 Gruppen, die Seminare für Eltern veranstalteten, um Informationen über Kindererziehung auszutauschen und das Bewusstsein für die Vernachlässigung von Kindern zu fördern. Fachleute aus einigen Gruppen machten Hausbesuche, um sich mit denjenigen zu beraten, die Probleme haben.
Anfällig für Kriminalität
Die Sorge ist, dass berufstätige Eltern ohne die Unterstützung einer Familie in vielen Fällen mehr unter Druck geraten. Außerdem befürchten Experten, dass Hochigo anfälliger für Kriminalität sind, da sie leicht Vertrauen aufbauen, sofern sie merken, dass ihnen jemand Aufmerksamkeit schenkt.
Japan muss nun handeln, um das Problem in den Griff zu bekommen und die Kinder zu schützen. Der Arbeitsdruck in Japan nimmt trotz Maßnahmen der Regierung immer mehr zu und so könnte es schnell passieren, dass immer mehr Kinder Hochigo werden.