Bunte Blumen sind in den modernen, von Glas und Beton geprägten Städten Japans eher eine Seltenheit, doch eine enge Verbindung zur Natur hat sich die japanische Kultur bis heute bewahrt. Das zeigt sich auf besondere Art aktuell in einem Tempel nahe Osaka.
Ob Kirsch- und Pflaumenblüte im Frühjahr oder rotes Herbstlaub zum Jahresende, der natürliche Wandel der Natur im Laufe der Jahreszeiten bekommt in Japan eine Menge Aufmerksamkeit. Viele Menschen reisen quer durchs Land, um zu jeder Saison die jeweils schönsten Orte zu besuchen.
Blumenschau statt Händewaschen
Für einige Regionen Japans haben sich daraus zuverlässige Tourismus-Modelle entwickelt. Rund um die Blütezeiten von Bäumen und Blumen finden landesweit Feste statt. Mancherorts werden bewusst saisonale Besuchermagneten geschaffen – etwa in Marugame, wo Schulkinder jährlich ein riesiges Sonnenblumen-Labyrinth anlegen.
Auch einige Tempel und Schreine nutzen insbesondere die Sommermonate, um mit den passenden Blüten mehr Besucher anzulocken und für gute Laune zu sorgen. So wie am Shijujuin-Tempel nahe Kyoto, der mit Blüten gefüllte Windspiele zu einer besonderen Attraktion macht, die an heißen Tagen Abkühlung bieten sollen.
Am buddhistischen Kougen-Tempel in der Stadt Kawanishi, einem Vorort Osakas, gibt es ebenfalls die Möglichkeit, bunte Blüten auf ungewöhnliche Art zu genießen. Hier schwimmen sie in steinernen Wasserbehältern und bilden sanft wogende Blütenteppiche, die den Menschen in der Corona-Zeit Mut machen.
Die Wasserbehälter dienen Besuchern eigentlich zur Reinigung ihrer Hände beim Betreten des Tempels. Doch während der auch in Japan immer noch andauernden Corona-Pandemie wird diese Form der Reinigung nicht durchgeführt, denn die gemeinsame Nutzung des Wassers durch zahlreiche Menschen wird als Infektionsrisiko angesehen.
Neues Interesse an Tempeln
Gleichzeitig sorgte die Pandemie dafür, dass mehr Personen den fast 600 Jahre alten Tempel besuchten. Selbst nach der Kirschblüte, wenn ein über 300 Jahre alter Kirschbaum auf dem Gelände ein wahrer Besuchermagnet ist, spazierten mehr Menschen als zuvor über das Gelände. Der Vize-Oberpriester des Tempels vermutet, dass die Menschen inmitten der Belastungen durch die Corona-Pandemie einen Ort suchten, an dem sie Ruhe finden konnten.
Seine Frau Mariko kam deshalb auf die Idee, das Tempelgelände für die Besucher noch ansprechender zu gestalten. Gemeinsam mit ihrem Mann sammelte sie Blüten am Tempel und in der näheren Umgebung, die die beiden dann in den Wasserbehältern arrangierten. Regelmäßig werden die Blüten durch neue ausgetauscht.
Zuletzt schwammen auf der Wasseroberfläche gelbe Sonnenblumen, die das Ehepaar angesichts des Obon-Festes platziert hatte. Sie wünschen sich, dass einige derer, die wegen der Blüten und der ruhigen Atmosphäre des Tempels vorbeikommen, schließlich auch zum Gebet bleiben und den Tempel so dauerhaft unterstützen.
Der Kougen-Tempel ist bei weitem nicht der einzige Ort in Japan, der die üblicherweise vorhandenen Wasserbecken auf diese Art neu nutzt. Auch der Dazaifu-Schrein in der Präfektur Fukuoka erlangte vor einiger Zeit Aufmerksamkeit, als er sein Reinigungs-Becken mit Hortensien-Blüten füllte.
In einigen Wochen wird die sommerliche Blütenpracht vorbei sein, doch dann steht bereits das nächste saisonale Schauspiel an. Bereits jetzt dürften sich viele Japaner Gedanken machen, wo sie dieses Jahr das schönste Herbstlaub zu sehen bekommen.