Hunderte von Frauen protestierten in Tokyo gegen zwei Gerichtsurteile, in denen die Richter zwar bestätigten, dass eine Vergewaltigung stattfand, die Täter aber freisprachen. Den Opfern wurde unterstellt, sie hätten sich gegen die Übergriffe wehren können.
Bei einer Kundgebung mit dem Titel „Demonstration gegen sexuelle Gewalt und Gerichtsurteilen zu sexuellen Übergriffen“ in der Nähe des Bahnhofs Tokyo am 11. April zeigten die Teilnehmer offen ihre Abscheu gegen die Urteile. Viele trugen Schilder mit der Aufschrift „#Me-Too“ und „With You“ bei sich. Die Frauen sind wegen der Urteile besorgt und befürchten, dass sie anderen Opfern den Mut nehmen ihre Peiniger anzuzeigen.
Das Bezirksgericht von Nagoya und das von Fukuoka sprachen im März zwei Verdächtige vom Vorwurf der Vergewaltigung frei. Gemäß dem japanischen Strafrecht muss die Staatsanwaltschaft beweisen, dass übermäßige Gewalt und massive Einschüchterung die Opfer außer Stande versetzten, sich gegen den Übergriff zu wehren. Sollten die Opfer bewusstlos sein oder unter Drogen- oder Alkoholeinfluss stehen und sich deswegen nicht zur Wehr setzen, kann Anklage wegen erzwungenem Geschlechtsverkehrs erhoben werden. Um die Täter schuldig zu sprechen, müssen die Opfer nachweisen, nicht zum Widerstand fähig gewesen zu sein.
Zwei Urteile erregen die Gemüter
Im Fall des Bezirksgerichts in Nagoya wollte die Staatsanwaltschaft die gewalttätige Vergangenheit eines Vaters und seiner Tochter anführen, um zu beweisen, dass die junge Frau sich nicht gegen die Vergewaltigung durch ihren eigenen Vater wehren konnte. Der Mann soll seine damals 19 Jahre alte Tochter im Jahr 2017 zweimal zum Geschlechtsverkehr gezwungen haben. Das Gericht bestätigte die Vergewaltigung und die Gewaltanwendung.
Nachdem das Gericht die sexuellen Übergriffe schärfstens verurteilte, entschied es trotzdem den Vater freizusprechen. Die Tochter sei nicht im Zustand gewesen, der eine Gegenwehr unmöglich machte. Das Urteil löste in der Öffentlichkeit Empörung aus. Rechtsexperten befürchten durch das Urteil vor einen Präzedenzfall gestellt zu werden, der bei ähnlichen Übergriffen zu denselben Bewertungen führt.
Während des Prozesses reichte die Staatsanwaltschaft eine schriftliche Stellungnahme eines Psychiaters ein, der die Tochter untersuchte. Er kam zu dem Schluss, die psychologische Gewalt durch den Vater versetzte das Mädchen in einen Zustand, in dem sie sich gegen einen sexuellen Übergriff nicht wehren konnte. Die Staatsanwaltschaft legte mittlerweile Berufung gegen das Urteil ein.
Besonders Opfer von sexuellem Missbrauch reagierten betroffen auf das Urteil. Sie kritisieren den Mangel an Verständnis für die Leiden der Missbrauchsopfer. Viele Frauen würden sich nicht gegen sexuelle Übergriffe wehren, sondern versuchen, sich der Situation anzupassen. Die Frauen erkennen nicht, dass sie eigentlich Opfer sind. Das Urteil würde die Bemühungen des Opfers negieren, auf den Missbrauch gerichtlich zu reagieren.
Die Absicht einer Vergewaltigung stand im Fokus eines Prozesses in der Präfektur Fukuoka. Das Gericht bestätigte den Freispruch, nachdem ein Mann eine bewusstlose Frau vergewaltigte, in dem er sie mit Alkohol gefügig gemacht hatte. Auch dieser Mann wurde am 12. März freigesprochen. Die Frau sei trotz ihrer Alkoholisierung in der Lage gewesen, sich verbal gegen den Mann zur Wehr zu setzen. Auch gegen dieses Urteil läuft das Berufungsverfahren.
Quelle: AS