Rei Kawakami saß nach einer Konferenz in Seoul im Oktober in einem Zug zum Flughafen, als sie die Nachricht von dem Feuer hörte, das die Burg Shuri in Okinawa verschlang.
„Ich kenne die Burg Shuri und wusste, dass sie für die Menschen in Okinawa ein Teil des Lebens ist“, sagte die 39-jährige japanische Professorin. Nachdem sie die Berichte über Studenten gelesen hatte, die aufgrund des Schocks der Zerstörung der Burg nicht in die Schule zurückkehren konnten, sah sich Kawakami gezwungen, zu handeln.
Virtuelles Modell der Burg
„Ich habe Kinder und ich habe mir vorgestellt wie überwältigend es wäre, wenn sie diejenigen wären, die das erleben würden“, sagte Kawakami, eine Spezialistin für Computervision an der Graduate School of Information Science and Technology der Universität Tokyo. „Ich könnte es nicht ertragen, nichts zu tun.“
Tatsächlich war es eine Arbeit über den virtuellen Wiederaufbau Roms, die auf der Internationalen Konferenz über Computer Vision in Seoul ausgezeichnet wurde, die Kawakami dazu inspirierte, das Projekt Shuri Castle Digital Reconstruction zu starten. Ein Projekt zur Erstellung eines digitalen 3D-Modells der Burg unter Verwendung von Fotos und Videomaterial, das online zur Verfügung gestellt wurde.
Der Brand am 31. Oktober, der vermutlich durch einen elektrischen Fehler verursacht wurde, verwüstete sieben Holzgebäude auf über 4.000 Quadratmetern auf einem Hügel mit Blick auf die Präfekturhauptstadt Naha.
Burg war UNESCO-Weltkulturerbe
Die Burg von Shuri war von 1429 bis zur Annexion Okinawas durch Japan im Jahr 1879 das Zentrum der Politik, der Außenpolitik und der Kultur des Königreichs Ryukyu. Sie brannte mehrmals ab, auch während des Zweiten Weltkrieges. Die Burgruine, mit Ausnahme der restaurierten Gebäude, wurde im Jahr 2000 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.
Die Zentralregierung strebt an, bis März 2020 einen Zeitplan für den Wiederaufbau zu erstellen, der auf einem Anfang Dezember beschlossenen Plan basiert. Bis zum Februar 2019 dauerte es rund 30 Jahre, um den bisherigen Wiederaufbau der Burg Shuri abzuschließen.
„Ich habe gehört, dass der Wiederaufbau der Burg lange dauern wird“, sagte Kawakami. „Ich hoffe, dass unser Projekt die Menschen vor Ort ermutigt und ihnen die Energie gibt, vorwärts zu gehen.“
Millionen von Fotos und Videos sollen Burg wieder aufleben lassen
Kawakami und ihr Team haben sich zum Ziel gesetzt, eine Million Foto- und Videobilder zu sammeln, die sortiert und mit speziell geschriebenen Algorithmen kombiniert werden. Das Ergebnis ist ein präzises 3D-Modell der Burg, das es den Besuchern ermöglicht, Gebäude zu erkunden und Objekte zu vergrößern. „Wir haben uns eine Million Bilder zum Ziel gesetzt, denn je mehr wir für die 3D-Burg verwenden, desto höher ist die Qualität“, so Kawakami.
Das Projektteam besteht aus über 20 Freiwilligen. Darunter Studenten, Professoren und Ingenieure aus Ländern wie Spanien und Frankreich.
Auch Unternehmen, das an digitaler Rekonstruktion von Notre-Dame mitgearbeitet hat, beteiligt
Unter ihnen sind auch Mitarbeiter des Pariser Startup-Unternehmens Iconem, das gemeinsam mit Microsoft Corp. ein Projekt mit 3D-Technologie zur Rekonstruktion der Kathedrale Notre-Dame, die im April 2019 bei einem Brand zerstört wurde, durchgeführt hat. Kawakami kontaktierte Iconem über einen Bekannten, der als Forscher mit dem Unternehmen zusammenarbeitet. „Es passte zu unserem Ziel, gefährdete Kulturerbe-Stätten zu digitalisieren“, sagte Jonathan Chemla, 27-jähriger technischer Leiter des Unternehmens.
Das Unternehmen ist auf die Verarbeitung einer großen Menge von Bildern spezialisiert, sagte Chemla und fügte hinzu, dass er beabsichtigt, für die Burg Shuri ähnliche Techniken wie bei der Rekonstruktion von Notre-Dame einzusetzen. „Internationale Zusammenarbeit ist immer wichtig, um Lösungen zu finden“, sagte er.
Auch Studenten von Kawakami helfen bei Projekt
Eine von Kawakamis Studenten, die einen Master in Computergrafikdesign macht, half bei der Erstellung eines Videoclips für die Website des Teams. „Ich war im März während eines Urlaubs in der Burg Shuri und war schockiert als ich die Nachricht hörte“, sagte sie. „Obwohl mein Fachgebiet ein anderes ist, wollte ich mitarbeiten, als ich sah, wie hart Professor Kawakami an diesem Projekt arbeitete.“
Seit dem Start der Website des Projekts am 20. Dezember hat das Team etwa 28.981 Bilder von etwa 2.709 Personen erhalten. Etwa 40 Prozent der Bilder kamen von außerhalb Japans, darunter China, Taiwan, Thailand und die Vereinigten Staaten.
Das Team bittet die Mitwirkenden bei der Übermittlung der Bilder ihr Alter, ihre Nationalität, ihr Geschlecht und ihre Erinnerungen anzugeben, sowie Nachrichten, die beim Besuch der virtuellen Burg erscheinen werden.
Erkunden der Burg mit Smartphone oder VR-Brille
Kawakami hofft auch, dass in Zukunft Menschen, die in Okinawa leben sowie Besucher das digitale Modell der Burg von Shuri mit einer Virtual-Reality-Brille oder einem Smartphone vor Ort erkunden können. „Das digitale Schloss könnte sowohl für den Unterricht von Schülern in Okinawa als auch für die Touristenanlockung genutzt werden, bis das Schloss wieder aufgebaut ist. Es gibt Probleme wie die Kosten, aber ich werde dieses Projekt so lange weiterführen, bis wir die Menschen vor Ort glücklich machen“, so Kawakami
Finanzielle Unterstützung für die Durchführung des Projekts
Unter den Unterstützern des Projekts hat Katsushi Ikeuchi, emeritierter Professor der Universität von Tokyo und Kawakamis ehemaliger Mentor, zugesagt 1 Million Yen (9.140 Dollar) beizusteuern. An dem Projekt beteiligen sich auch mehrere Firmen, darunter Sakura internet inc., die einen Server zur Verfügung gestellt hat, und Capturing Reality s.r.o., die dem Team die Möglichkeit gibt, seine Software zur Kombination von Bildern zu nutzen.
Mitte November besuchte auch Okinawas Vize-Gouverneur Moritake Tomikawa Kawakami und bot an, das Projekt zu unterstützen. Das Projektteam sammelt Fotos und Videos von der Burg Shuri auf seiner Website, die auf Japanisch, Englisch, Koreanisch und Chinesisch verfügbar ist.
Kyodo