Mehr Heiraten, mehr Kinder – so lautet das Motto der japanischen Regierung, wenn es um die Zukunft des Landes geht. Im Kampf gegen sinkende Geburtenraten und Überalterung greift man auch mal zu ungewöhnlichen Mitteln – so wie die Präfektur Aichi.
Offizielle Berichte zur demographischen Entwicklung Japans zeichnen ein düsteres Bild. Dem Land droht in den kommenden Jahrzehnten ein drastischer Bevölkerungsrückgang, sollte sich nicht bald etwas ändern. In der Regierung ringt man um Maßnahmen, um dem Trend entgegenzuwirken.
Heirat und Familie sollen Japan retten
Mehr Heiraten, soweit scheint man sich einig, würden auch zu mehr Kindern führen. Doch mit welchen Mitteln dieses Ziel erreicht werden soll, darüber herrscht Streit. Mitte des Jahres will Japans Premierminister Kishida „beispiellose Maßnahmen“ vorstellen, mit denen Familiengründung wieder attraktiv werden soll.
Was die Ursachen der Heiratsmüdigkeit im Land sind, dazu gibt es viele Theorien. Immer wieder fallen japanische Politiker mit wenig fundierten Aussagen auf, etwa dass die Japanerinnen doch einfach weniger wählerisch sein sollten, oder dass es den Männern an „romantischen Fähigkeiten“ mangele.
Zumindest implizit scheint man letztere Wahrnehmung wohl auch in der Präfektur Aichi zu haben. Dort plant man nämlich, den heiratswilligen Singles dieses Jahr mit einer steuerfinanzierten Veranstaltung direkt unter die Arme zu greifen. Im Herbst veranstaltet Aichi ein großes Kuppel-Event, bei dem aus Singles bald Hochzeitspaare werden sollen.
Neun Millionen Yen für Dating-Event
Bereits seit 2011 betreibt Aichi ein Online-Portal, in dem privat organisierte Dating-Veranstaltungen eingestellt werden konnten. Heiratswillige fanden dort entsprechende Events in ihrer Nähe. Doch die Corona-Pandemie machte Dating unmöglich, die Zahl der Nutzer des Portals sank massiv.
Darum entschied sich die Präfektur, selbst zum Veranstalter zu werden. Im Moricoro Park der Stadt Nagakute werden sich im Oktober 2023 auf Einladung der Stadt insgesamt 400 Singles treffen. Aus ihnen sollen, geht es nach dem Willen der Präfektur, bis zu 200 Paare werden, die schließlich heiraten und Kinder in die Welt setzen.
Angesprochen sind Singles in den 20ern und 30ern, die in Aichi leben, arbeiten oder studieren. Von denen sind laut einer Umfrage in der Präfektur rund 80 Prozent interessiert an einer Heirat, doch etwa 40 Prozent finden keinen gleichgesinnten Partner. Das soll sich bald ändern.
Die ungewöhnliche Veranstaltung lässt sich die Präfektur einiges kosten. Rund 9,7 Millionen Yen (ca. 67.000 Euro) beträgt das von der Regierung zur Verfügung gestellte Budget der Veranstaltung. Organisiert und ausgetragen wird die von der Organisation Nihon Konkatsu Shien Kyokau – der „Japan Matchmaking Support Association“.
Die organisiert bereits seit vielen Jahren ähnliche Veranstaltungen für Heiratswillige in allen Teilen Japans, oft in Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen. Deren erste Herausforderung ist es nun, passende Teilnehmer und Teilnehmerinnen für das Event zu finden.
Ehemüdigkeit hat viele Facetten
So soll sichergestellt werden, dass die angemeldeten Singles es ernst meinen mit dem Heirats-Wunsch. Wer „nur“ eine Freundin oder einen Freund sucht, ist dagegen nicht willkommen. Das erfordert von den Organisatoren einiges an Kreativität.
Zum eigentlichen Ablauf der Veranstaltung äußerte sich die Präfektur bereits: zuallererst werden die Teilnehmenden beschult. Denn das Heirats-Event beginnt damit, dass der Gruppe Videos gezeigt werden, in denen sie hilfreiche Gesprächsmethoden und Benimmregeln lernen, bevor sie in kleineren Gruppen nach ihren möglichen Ehepartnern Ausschau halten.
Da ist sie also wieder, die Idee der fehlenden „romantischen Fähigkeiten“. Dabei zeigen Umfragen unter Jugendlichen durchaus auch andere Faktoren, die zur Heiratsmüdigkeit im Land beitragen. Finanzielle Sorgen und Zukunftsängste spielen dabei eine große Rolle. Und Japans junge Frauen haben zunehmend weniger Lust, sich den Belastungen einer traditionellen japanischen Ehe auszusetzen, in der Haushalt und Kindererziehung praktisch komplett auf ihren Schultern lasten.
Für die Teilnehmenden hat die Veranstaltung im Oktober im übrigen noch einen weiteren Vorteil: auf dem Gelände in Nagakute befindet sich auch der beliebte Ghibli-Park. Der bietet sich für die neuen heiratswilligen Paare direkt zum ersten Date zu zweit an – und wer nicht erfolgreich ist, wird sicher auch als Single eine schöne Zeit mit Totoro, Mononoke und Co. haben.