Vor Jahrhunderten beherrschten große Segelschiffe die Meere, dann wurden sie von den Dampfmaschinen verdrängt. Heute ist das Segeln vor allem Freizeitvergnügen und Sport. Doch auf der Suche nach einer nachhaltigeren Seefahrt erlebt die Windkraft auf den Meeren ein Comeback. Ein japanisches Schiff ist nun Vorreiter für die „neue alte Technologie“.
Seit Jahren nimmt der Verkehr auf den Weltmeeren immer mehr zu. Rund 70 Prozent aller Güter weltweit werden nach Angaben des deutschen Umweltbundesamts per Schiff transportiert. Hohe Transportkapazitäten machen den Seeweg zu einer der effektivsten Möglichkeiten, Waren über weite Strecken zu bewegen.
Schiffsverkehr ist notwendig, aber auch gefährlich für die Umwelt
Gleichzeitig sind die großen Frachtschiffe jedoch ein Problem für die Umwelt. Denn ihre Maschinen laufen mit Schweröl, dessen Verarbeitung zahlreiche Schadstoffe freisetzt, die teuer und aufwändig in den Häfen entsorgt werden müssen – und dabei allzu oft illegal in den Meeren landen. In Europa waren Schiffe für rund 13,5 Prozent der Treibhausgasemissionen in 2018 verantwortlich, ein Fünftel der weltweiten Emissionen durch Schiffsverkehr.
Eine der Lösungen, um Treibstoffverbrauch und Emissionen der Schiffe zu verringern, liegt im Blick auf eine bewährte Technologie der früheren Seefahrt: Segeln mit Windkraft. Mit einer neuen Art von Segel können auch riesige Frachter in Zukunft umweltfreundlicher unterwegs sein.
Mit dem Projekt Wind Challenger hat das japanische Unternehmen Mitsui OSK Lines Ltd. (MOL) gemeinsam mit Tohoku Electric Power Co. den ersten Schritt auf dem Weg zu grünerem Transport auf den Ozeanen getan. Anfang Oktober setzte der Kohlefrachter „Shofu Maru“ erstmals das Segel.
Der Frachter nutzt dabei eine Kombination aus herkömmlichem Antrieb und Segeltechnik. Die neue Technologie ist in der Lage, ein Schiff wie die „Shofu Maru“ – ein 235 Meter langes Transportschiff mit einer Ladekapazität von 100,000 Tonnen – bei der Fahrt durch die Nutzung von Wind so zu unterstützen, dass deutlich weniger Treibstoff verbraucht wird.
Hightechsegel wird Schifffahrt ökologischer machen
Bereits seit 2009 wurde an „Wind Challenger“ gearbeitet. Das Projekt ging damals von der Universität Tokyo aus und wurde 2018 schließlich von MOL übernommen. Mit der Genehmigung des japanischen Ministeriums für Land, Infrastruktur, Verkehr und Tourismus (MLIT) begann die Firma „Oshima Shipbuilding“ schließlich mit dem Bau der Shofu Maru in Nagasaki.
Bei dem auf der Shofu Maru installierten Segel handelt es sich um ein Hartsegel aus mit Fasern verstärktem Kunststoff. Es besteht aus vier Teilen, die beim „Segel setzen“ ausgefahren werden und eine Gesamthöhe von 53 Metern bei einer Breite von 15 Metern erreichen.
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Mithilfe von Sensoren erkennt das Segel Windrichtung und -geschwindigkeit und richtet sich für größte Effektivität aus. Gleichzeitig macht die Bauweise das Segel extrem widerstandsfähig. Durchschnittliche Windgeschwindigkeiten von 180 Kilometern pro Stunde hält die Technologie problemlos aus, selbst Böen von 250 Kilometern pro Stunde sind keine Gefahr. Damit hält das Segel sogar den Winden eines starken Taifuns stand.
Von ihrem Heimathafen Noshiro in der Präfektur Akita aus wird die „Shofu Maru“ nun Kohle und andere Waren aus Australien, Indonesien und Nordamerika nach Japan transportieren. Zwischen 5 und 8 Prozent weniger Treibhausgase wird das Schiff dabei je nach Route im Vergleich zu konventionellen Frachtern ausstoßen. Die Öko-Bilanz des Frachters wird allerdings dadurch geschmälert, dass die transportierte Kohle in Japan zur Herstellung von Strom in wenig umweltverträglichen Kraftwerken verwendet wird.
Auch andere Länder interessieren sich für die Segel-Technologie
Der Name des Schiffs spielt sowohl auf seinen Heimathafen an, als auch auf die Hoffnungen, die MOL in die neue Hartsegel-Technologie setzt. „Shofu“ setzt sich zusammen aus den Zeichen für Kieferbäume und Wind. Schwarzkiefern werden in Noshiro angepflanzt, um Bodenerosion aufzuhalten, Wind steht natürlich für das „Wind Challenger“-Segel selbst. Der Name soll den Wunsch ausdrücken, dass das Schiff auch unter harschen Bedingungen seine Aufgabe zuverlässig erfüllen wird.

Seine erste Prüfung hat das Schiff bereits erfolgreich bestanden. Die Jungfernfahrt der „Shofu Maru“ endete am 25. Oktober mit der Ankunft im Hafen Newcastle in Australien. Dort wurde das Schiff freudig empfangen und für seine erste Beladung vorbereitet. Aufgrund ihrer eigenen Bestrebungen zum Klimaschutz interessiert sich auch Australiens Regierung für die Erfahrungen Japans mit der neuen Segel-Technologie.
Die „Shofu Maru“ ist dabei nicht das einzige Frachtschiff, auf dem Hartsegel getestet werden. Auch andere Länder forschen an der Technologie. Die „New Aden“, ein ebenfalls in 2022 fertig gestellter Öltanker der China Merchants Group, nutzt etwa vier Segel, um bis zu einem Zehntel weniger Treibstoff zu verbrauchen und schätzungsweise 2,900 Tonnen CO₂ pro Jahr einzusparen. Dass Segel bald wieder zu einem gewohnten Anblick auf den Weltmeeren werden, dürfte daher nur eine Frage der Zeit sein.