Im kommenden Winter wird der Rollkragenpullover zum Verkaufsschlager in Japans Hauptstadt, wenn es nach Tokyos Regierungschefin geht. Dabei möchte Yuriko Koike jedoch keinen neuen Modetrend starten – die Kleidungs-Empfehlung der Gouverneurin hat einen ernsten Hintergrund.
Denn Japans Energie-Infrastruktur steht in den nächsten Monaten eine Härteprobe bevor. Durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine steckt das Land in einer Energiekrise und die Strompreise sind in den vergangenen Monaten massiv gestiegen.
Stromsparen im Winter als gemeinsamer Kraftakt
Das verstärkt die sowieso schon prekäre Situation der Stromversorgung in Japan. Seit der Stilllegung von Atomkraftwerken infolge der Atom-Katastrophe von Fukushima 2011 leidet Japan unter Strommangel. Ein Drittel der Kraftwerke läuft mittlerweile wieder, jedoch teils mit Einschränkungen. Der Wechsel hin zu regenerativen Energien läuft schleppend, vielfach wird auf fossile Energieträger zurückgegriffen.
Seit über zehn Jahren ruft die Regierung darum im Sommer und Winter die Bevölkerung zum Stromsparen auf. Denn wenn die Temperaturen besonders hoch oder niedrig sind, werden im ganzen Land die Klimaanlagen angeworfen und bringen die Stromnetze an ihre Grenzen.
In Verbindung mit der aktuellen Energiekrise ist die Aufforderung zum Sparen dieses Jahr besonders dringlich. Experten rechnen mit einem hohen Risiko für Stromausfälle in Kälteperioden, sollten keine deutlichen Einsparungen vorgenommen werden. Klimaanlagen gelten dabei als einer der Hauptfaktoren für erhöhten Stromverbrauch.
Seit einigen Jahren gibt es aus diesem Grund auch ein Sonderprogramm von Regierung und Energieanbietern, mit denen Stromsparer belohnt werden. Oft sind die Programme jedoch schwer verständlich und finden deshalb nicht den gewünschten Anklang. Das zeigte zuletzt eine Umfrage unter jungen Menschen in Japan hinsichtlich ihrer Stromspar-Bemühungen.
Seit Kurzem wird sogar darüber diskutiert, ob Energieunternehmen die Möglichkeit haben sollten, per Internet steuerbare Klimaanlagen aus der Ferne zu drosseln, wenn Stromausfälle drohen. Technisch ist das bereits jetzt bei vielen Anlagen mit Smart-Funktionen machbar. Manche in Japan verbaute Klimaanlagen drosseln zudem automatisch die Leistung, wenn Stromschwankungen festgestellt werden.
Frankreichs Präsident als Vorbild für Winterkleidung
Mit Blick auf den nahenden Winter äußerte sich nun auch Tokyos Gouverneurin Yuriko Koike. Sie empfahl den Einwohnern der Hauptstadt Rollkragenpullover als Maßnahme, um sich gegen die Kälte zu schützen und ohne Heizung auszukommen.
Während ihrer Empfehlung trug die Gouverneurin selbst einen entsprechenden Pullover und erzählte, dass sie sich oft mit einem zusätzlichen Schal warm halte. Die Pullover seien eines der Werkzeuge, um Japan gut durch den Winter zu bringen, sagte sie vor Reportern.
Dabei verwies Koike auf den internationalen Vorreiter des Rollkragenpullovers – Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. Dieser trat zuletzt vermehrt mit dem Kleidungsstück in der Öffentlichkeit auf.
Die Empfehlung ist auch Teil der „Warm Biz“-Kampagne der Regierung, die Unternehmen ermutigt, im Winter Kleidungsvorschriften zu lockern, um Energie zu sparen. Sie ist das Gegenstück zur „Cool Biz“-Kampagne während der Sommermonate.
Wo Japans Weg in Bezug auf Energie hinführen soll, darüber ist man sich im Land uneinig. Bis 2050 möchte Japan CO₂-neutral werden. Die bisherige Nutzung fossiler Energieträger muss darum bald enden.
Premierminister Fumio Kishida und seine Partei sehen die Zukunft Japans in der Atomkraft. Auch in der Bevölkerung gewinnt dieser Kurs immer mehr an Zustimmung. Darum treibt das Land auch die Entwicklung neuer Reaktortypen voran. Mittlerweile liebäugelt man in der Regierung sogar mit dem Bau neuer Atomkraftwerke, um die eigenen Klimaziele zu erreichen und Japans Stromversorgung ganzjährig stabil zu halten.