Tierversuche sind in Wissenschaft und einigen Wirtschaftsbereichen Alltag. Immer mehr Staaten bemühen sich, diese einzudämmen und streng zu regulieren. In Japan findet das Thema jedoch kaum Beachtung – auch wegen eines Mangels an Daten.
Viele Errungenschaften der Medizin, aber auch Produkte der Kosmetik-, Lebensmittel- und Pharmaindustrie, bereichern nur dank Tierversuchen das moderne Leben. Die Bedingungen, unter denen die Tiere gezüchtet, gehalten und schließlich benutzt werden, stehen dabei im krassen Widerspruch zu modernen Erkenntnissen und Standards im Tierschutz.
Tierversuche in Japan ohne Regulierung
Noch ist eine Welt gänzlich ohne Tierversuche nicht machbar, in einigen Bereichen, etwa Medizin und Wissenschaft, fehlt es an gleichwertigen Alternativen. Doch insbesondere die Verwendung von Tieren für die Erprobung von Kosmetika steht schon lange in der Kritik. Viele Staaten haben daher bereits reagiert.
Doch während etwa in Deutschland Zahlen zu Tierversuchen auf Bundesebene erfasst werden, und in der EU seit 2013 ein Verbot von Tierversuchen im Kosmetik-Bereich gilt, setzt Japan praktisch keine Grenzen.
Tierversuche, egal ob für die Wissenschaft oder Industrie, sind in Japan nicht verboten. Auch für Kosmetika dürfen ohne Einschränkung Tierversuche durchgeführt werden. Für manche Inhaltsstoffe sind die Tests sogar gesetzlich vorgeschrieben.
In welchem Ausmaß Tierversuche in Japan tatsächlich stattfinden, lässt sich dabei nicht seriös beantworten. Denn die Regierung erfasst keine Daten zu den im Land durchgeführten Versuchen. Und die Unternehmen selbst schweigen lieber zu dem unangenehmen Thema.
Zwar tut sich die japanische Gesellschaft mit dem Tierschutz schon lange schwer – erst in den letzten Jahren wurde er auch im Wahlkampf zum Thema. Doch mit dem Gedanken, dass für ihre teure Kosmetik Tiere tausendfach leiden und sterben, würden sich die Menschen wohl kaum anfreunden wollen. Also wird erst gar nicht darüber gesprochen.
Nach Angaben der Tierschutzorganisation PETA gibt es gerade einmal vier Unternehmen in Japan, die nachweislich auf Tierversuche verzichten. Die Organisation prüft auf Antrag Unternehmen, die sich ihre Tierversuchs-Freiheit zertifizieren lassen möchten. Das Interesse an der Zertifizierung steigt: waren es noch 500 Unternehmen, die in 2005 ein Zertifikat vorweisen konnten, kletterte die Zahl bis 2022 auf über 6000 – die meisten davon aus Europa und Amerika.
Auf das Thema aufmerksam macht in Japan neben PETA und anderen Organisationen auch eine Kosmetik-Firma: das britische Unternehmen Lush. Lush-Produkte sind besonders bei jungen Japanerinnen sehr beliebt. Alle Produkte sind ohne Tierversuche entstanden – darauf weist ein markantes Logo der Firma hin und bringt das Thema so bei seinen Kunden ins Bewusstsein.
Lebensechte Modelle fürs Operations-Training
Der Zeit voraus ist man dagegen an der Universität Gifu, an der auch Tierärzte ausgebildet werden. In der Veterinärausbildung, aber auch in der Humanmedizin, dienen Versuchstiere dazu, chirurgische Eingriffe unter realistischen Bedingungen zu üben. Eine Praxis, die auch in Staaten gängig ist, die etwa Tierversuche in der Industrie beschränken.
An der Universität beschloss man bereits vor zehn Jahren, auf lebende Tiere im Studium zu verzichten. Stattdessen wurde mit Operationsvideos und Schwämmen geübt. Das machte es den Studierenden jedoch schwer, ihre chirurgischen Fähigkeiten angemessen zu entwickeln.
Seit April 2022 freut man sich in Gifu darum über ein sogenanntes „biologisches Modell“, das über eine Crowdfunding-Kampagne angeschafft werden konnte. Das Modell erlaubt es, operative Eingriffe nahezu lebensecht zu simulieren. So können die Ansprüche der Universität im Bereich des Tierschutzes mit einer hochwertigen praktischen Ausbildung in Einklang gebracht werden.
Solange Japans Regierung darauf verzichtet, insbesondere die Industrie mehr in die Pflicht zu nehmen, und Zahlen zu den durchgeführten Tierversuchen zu erheben, werden Tierwohl-Initiativen die Ausnahme bleiben. Für die Unternehmen gibt es keinen Grund, nach Alternativen zu suchen, denn Tierversuche sind für sie der günstigste Weg, Produkte zu testen.
Womöglich aber wird der Fokus auf den Tierschutz, der sich in immer mehr Industriestaaten in Gesetzen und Verordnungen wiederfindet, auch den Druck auf Japans Regierung erhöhen. Und so Millionen Tiere retten, die aktuell ohne Wahrnehmung der Öffentlichkeit in Tierversuchen ihr Leben verlieren.