Anzeige
HomeNachrichten aus JapanUmweltWegwerf-Regenschirme im Fokus innovativer japanischer Unternehmen

Nachhaltigkeit

Wegwerf-Regenschirme im Fokus innovativer japanischer Unternehmen

Japan hat ein Regenschirm-Problem – denn der praktische Regenschutz gilt im Land als billiges Wegwerfprodukt. Auf dem Weg zu weniger Müll und mehr Nachhaltigkeit braucht es deshalb eine neue Schirm-Kultur. Um die bemühen sich innovative japanische Unternehmen wie +TIC und i-Kasa.

Anzeige

Regenschirme erfreuen sich in Japan seit Jahrhunderten großer Beliebtheit. Wer kennt nicht alte Holzdrucke von Geishas mit eleganten Schirmen aus Bambus und Papier. Heutzutage sieht man die klassischen „wagasa“ eher als Accessoire zu traditioneller Kleidung, während im Alltag einfache Schirme aus Plastik zum Einsatz kommen.

Regenschirme in Japan – billig und überall verfügbar

An Regentagen füllen sich die japanischen Straßen in Windeseile mit den durchsichtigen Schirmen, die es für wenige Yen an jedem Konbini zu kaufen gibt. Zwischen 300-500 Yen (ca. 2,13 bis 3,55 Euro) kostet ein einfacher Schirm. Ein kleiner Preis, der zum sorglosen Umgang mit den Schirmen verführt.

LESEN SIE AUCH:  Einkaufszentrum in Shiga begeistert mit Kunstinstallationen aus Regenschirmen und Papierschnitten

Dass ein neuer Schirm oft innerhalb weniger Minuten verfügbar ist, sorgt dafür, dass besonders in den Großstädten kaum jemand mit eigenem Schirm das Haus verlässt, wenn im Tagesverlauf Regen drohen könnte. Doch Regenjacken mit Kapuzen sind wegen der oft hohen Temperaturen in der Regenzeit, aber auch aus modischen Gründen, für viele Menschen in Japan keine Alternative.

Anzeige

Also wird, wenn unerwartet Regen aufzieht, eben schnell ein neuer Schirm gekauft. Im Durchschnitt besitzen die Japaner darum 4,2 Regenschirme pro Person. Das ergab eine Umfrage des Unternehmens Weathernews Inc. im Mai 2022. Jedes Jahr werden weitere 120 bis 130 Millionen Stück verkauft, also in etwa ein Schirm pro Einwohner des Landes.

Die meisten Schirme werden in den Großstädten verkauft, wo die Menschen öfter mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind und mehr Wege zu Fuß zurücklegen. Dort fällt dann auch der meiste Regenschirm-Müll an. Denn die günstigen Schirme sind nicht für eine lange Lebensdauer ausgelegt, gehen bei Belastung schnell kaputt und werden dann direkt auf der Straße entsorgt. Sie werden auch oft vergessen – nach Regentagen laufen die Fundbüros der japanischen Bahn über mit Schirmen.

Leihen statt kaufen für weniger Müll

Mit verschiedenen Ansätzen haben japanische Unternehmen dem Problem den Kampf angesagt. Eines davon ist i-Kasa, einer von mehreren Anbietern von Leih-Schirmen in Japan. An 1200 Standorten in Japan, viele davon an Zugstationen, stehen Ausleihstationen von i-Kasa. Per Smartphone-App lassen sich dort Schirme für nur 110 Yen (ca. 0,78 Euro) für 24 Stunden ausleihen.

Die ursprüngliche Idee hinter i-Kasa war, Schirme noch bequemer und günstiger verfügbar zu machen. Doch mittlerweile ist das Konzept auch nach den Zielen für nachhaltige Entwicklung der U.N. anerkannt, gab der Betreiber Nature Innovation Group bekannt.

Einen anderen Ansatz verfolgt der Regenschirm-Hersteller Ca Et La aus Tokyo. Dort konzentriert man sich auf den Aspekt der Recyclebarkeit der Regenschirme. Denn die üblicherweise verwendeten transparenten Schirme lassen sich aufgrund der Zusammensetzung von Plastik und Metall nur sehr umständlich recyclen, die Regeln für ihre Entsorgung variieren in Japan je nach Gemeinde.

Darum hat man bei Ca Et La einen Schirm entwickelt, der vollständig aus Plastik besteht und recyclebar ist. +TIC nennt sich das Produkt, das optisch kaum von den Schirmen mit Metallkern zu unterscheiden ist. Das Material hält nach Angaben des Herstellers starken Winden besser stand und soll nicht so schnell kaputtgehen.

Upcycling als Übergangslösung

Eine weitere Besonderheit von +TIC ist die Auswechselbarkeit des Schirms. Hat der Schirm einen Riss, kann das obere Plastik entfernt und ein neuer Schirm auf das Grundgestell gespannt werden. Idealerweise verlängert sich so die Lebensdauer der Schirme.

Und was passiert mit Schirmen, die trotz allem im Müll landen? Für die interessiert sich das Modelabel Plasticity. Dort werden aus alten Regenschirmen Handtaschen und Beutel, die stabil und wasserdicht sind. Rund 30,000 Plastikschirme hat das Unternehmen bisher zu neuen Produkten verarbeitet – ein Bruchteil dessen, was in Japan jährlich an Regenschirm-Müll anfällt.

Modedesigner Aki Saito, der Plasticity vor drei Jahren ins Leben rief, sieht das Upcycling kaputter Schirme als Übergangslösung. In spätestens zehn Jahren soll Plasticity wieder vom Markt verschwunden sein, so seine Hoffnung. Mit der Entwicklung nachhaltiger Schirm-Varianten wird es dann nämlich bestenfalls keinen Müll mehr geben, der weiterverarbeitet werden muss.

Ob haltbarere Schirme und Leihservice das Müllproblem dauerhaft bekämpfen können, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Bei i-Kasa ist man bisher optimistisch – denn obwohl die Leih-Schirme günstiger sind, als neue Schirme im Handel, werden sie sorgfältiger behandelt. 99,5 Prozent der geliehenen Schirme werden auch wieder zurückgebracht, so das Unternehmen. Es gibt also Hoffnung, dass sich die Einstellung der Japaner zu ihren Regenschirmen ändern kann.

Google News button
Anzeige
Anzeige